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Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael M. Bonelli
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dass sie die Wahrheit nicht leugnen müssen, dass sie das Böse als Böses erkennen dürfen.«

    Die Holocaust-Überlebende Eva Mozes Kor, die ein Opfer der Menschenversuche des KZ-Arztes Josef Mengele war, stellte in einem Interview überraschend klar: »Ich erlebe es als befreiend, den Tätern zu vergeben.« Tatsächlich kann der ewige Groll eine schwere Last werden, weil er den eigenen Handlungsspielraum einengt. In der Praxis sieht man häufig, dass der psychodynamische Prozess der Vergebung ermöglicht, ein verbitterndes, in diesem Fall sogar traumatisierendes Erlebnis in der eigenen Biographie so einzuordnen und zeitlich abzuschließen, dass man für eine neue Lebensphase und neue Lebensthemen – für neue Grundannahmen – offen und frei wird. Der Soziologe Harald Welzer von der Uni Witten-Herdecke beobachtet, dass »die Ideologie des Durcharbeitens und Konfrontierens den Opferstatus festschreibt, obwohl sie ihn zu beseitigen vorgibt«. Hier kritisiert er eine Fehlentwicklung innerhalb der Psychotherapie, die Traumatisierungen überlang wiederkäuen will, ohne loslassen zu können. Oft wird manchmal in jahrelangen Therapien nicht einmal die erste Stufe des Verstehens erreicht.
    Worthington stellt anhand der wissenschaftlichen Datenlage fest, dass die Hauptwirkung der Forgiveness darin besteht, die Unversöhnlichkeit zu reduzieren. »Unversöhnlichkeit ist ein missgönnendes, rachsüchtiges, feindliches, bitteres, übelnehmendes, verärgertes, ängstliches und depressives Grübeln. Sie ist direkt mit dem Faktor der subjektiv erlebten Ungerechtigkeit assoziiert.«
    Im Grunde bezeichnet die »Unversöhnlichkeit« im angloamerikanischen Raum also genau dasselbe wie der Begriff der Verbitterung im deutschsprachigen Raum. Verbitterung ist eben genau missgönnend, rachsüchtig, feindlich, bitter, übelnehmend, verärgert und kreist um ein subjektiv erlittenes Unrecht. Daraus lässt sich folgern, dass die Verbitterung durch Vergebungsbereitschaft reduziert werden kann. Der Dreischritt zur Vergebung – Verstehen, Wollen, Fühlen – ist demnach nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, psychotherapeutischen Einsichten und dem gesunden Menschenverstand der Königsweg aus der Verbitterung.
FALL 31: Der 55-jährige Pater Klaus kommt in die Praxis. Er wäre 23 Jahre lang Prior seines Klosters gewesen, das sei, so sagt er, eine sehr anstrengende Zeit gewesen. Die Provinzleitung habe aber seine Erschöpfung nicht wahrgenommen, habe ihn nicht rechtzeitig entlastet. Er hätte in seiner Niederlassung dringend noch zwei zusätzliche Priester für die Aufgaben benötigt, die er sich vorgenommen gehabt habe. Wäre er rechtzeitig entlastet worden, dann würde sein Kloster heute blühen, so ist er überzeugt. Und er wäre weiter Prior. Jetzt aber sei er abgelöst worden, das mache ihm grundsätzlich natürlich nichts aus, aber sein Nachfolger mache leider alles verkehrt. »Wie man in so kurzer Zeit so viel falsch machen kann!« Außerdem frage ihn der neue Prior so selten – »Der will wohl das Rad neu erfinden«. Pater Klaus meint: »Es ist auch nicht gerade ein Zeichen von Demut, wenn er denjenigen nicht fragt, der es durch jahrelange Erfahrung besser weiß. Und im Nachbarkloster laufen die Dinge auch nicht so, wie das eigentlich sein sollte.« Er, Pater Klaus, habe schon an den Provinzial geschrieben, aber der reagiere auch nicht mehr auf seine Vorschläge, obwohl Pater Klaus ja vor Ort sei und das wohl besser beurteilen könne. Überhaupt habe er den Eindruck, dass der Provinzial und die ganze Provinzleitung wohl völlig überfordert seien.

ANALYSE: Der Patient weist eine explosive Mischung aus eigener Fehlerlosigkeit, Fremdbeschuldigung, Opferkult und Besserwisserei auf, die seine Verbitterung bedingen.
    ZUSAMMENFASSUNG: Das Leben besteht darin, Unrecht zu tun und Unrecht zu erleiden. Unrecht zu erleiden ist nicht leicht: Auch bei echtem Fremdverschulden und tatsächlich eigener Unschuld gibt es Handlungsspielraum in Form von Vergebung, die aktiv ist, während Verbitterung passiv ist. Die Freiheit zum Verzeihen ist denen leichter zugänglich, die auch an sich selbst Fehler sehen. Die Perfekten und Fehlerlosen tun sich außerordentlich schwer mit dem Verzeihen.

Teil III
    Die Lösung
    7. Kapitel
    Die Macht der Bauchgefühle
    Anton Hofmiller auf der Couch
    B auchgefühle können ganz toll sein. Kennen Sie das? Man schwebt auf einer Gefühlswolke durchs Leben, macht mit Leichtigkeit, fast traumwandlerisch, alles

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