Selbs Betrug
Rush-hour die Ampeln außer Funktion setzen und dadurch in Heidelberg den Verkehr lahm- und die Verkehrsbelastung offenlegen. Aber mit den Plänen ging es nicht voran. Dafür kam Lemke mit der Aktion Bonfire.
»Was bedeutet Bonfire?«
»Freudenfeuer – wir wollten bei den Amerikanern Feuer legen, damit endlich an die Öffentlichkeit kommt, was die alles lagern. Normalerweise lassen die niemand rein, aber wenn’s brennt, dann geht’s drunter und drüber, und die Deutschen kommen einfach, Polizei, Feuerwehr, Reporter. Natürlich muß es ein großes Feuer sein. Aber wenn so ein Munitionslager erst mal brennt …«
Ich war entgeistert und sah sie entgeistert an. Sie verteidigte sich gegen meine Vorwürfe schneller, als ich sie auch nur denken konnte. Mir wurde klar, daß sie seit Wochen ihr eigener Ankläger, Verteidiger und Richter war.
»Natürlich sollte niemand verletzt werden. Da waren wir uns ganz sicher und einig, wir haben es Helmut immer wieder gesagt, und er hat es hoch und heilig versprochen. Aber selbst wenn – verstehen Sie mich nicht falsch, wir haben das nicht einkalkuliert, ich meine nur so, selbst wenn …«, sie brach ab.
Ich schaute zu ihr hinüber.
Sie hatte trotzig die Unterlippe hochgeschoben, und im Schoß hielt die eine Hand die andere so fest, daß die Haut unter den Nägeln weiß schimmerte. »Wie soll man was Furchtbares entlarven, ohne daß es furchtbar zugeht. Wenn was passiert ist, ich meine, wenn was passiert wäre, dann jedenfalls besser als wenn wirklich …«
Ich wartete, aber sie redete nicht weiter. »Was ist eigentlich geschehen, Frau Salger?«
Sie sah mich an, prüfend, als solle ich für sie ein Geheimnis lüften und nicht umgekehrt. »Ich weiß nicht genau. Ich hatte mich um die Vorbereitung nicht besonders gekümmert. Das haben die anderen gemacht, Helmut und Giselher. Bertram kam erst am Abend, bevor es losging, aus der Toskana zurück. Mir war klar, daß ich dabeisein und mitmachen würde. Wir haben immer alles gemeinsam durchgeführt. Helmut wollte zwar partout, daß ich nicht dabei bin, aber damit kam er nicht durch. Wir waren sowieso einer zuwenig. Zuerst hat Helmut versucht, das Projekt mit vier statt fünf Leuten zu planen, dann hat er einen neuen fünften Mann gesucht und auch gefunden. Zu seiner und unserer Sicherheit hat er ihn nicht in die Gruppe gebracht. Wir haben uns erst getroffen, als es losging. Er kam mit Helmut, im anderen Wagen kamen Giselher, Bertram und ich.«
»Das war Anfang Januar?«
»Heilige Drei Könige. Ich weiß nicht einmal, wo genau wir uns getroffen haben. Es muß Richtung Frankfurt gewesen sein. Wir sind eine ganze Weile über die Autobahn gefahren, am Heidelberger oder Mannheimer Kreuz nach Norden, dann von der Standspur über die Böschung auf eine kleine Straße. Von der kleinen Straße ging’s querfeldein bis an den Rand eines Wäldchens. Dort haben wir Helmut und den fünften Mann getroffen. Und von dort sind wir los.«
»Kannten Sie den fünften Mann?«
»Wir hatten unsere Gesichter geschwärzt. Selbst Helmut habe ich kaum erkannt. Nach einer Weile kamen wir an einen Zaun, haben ein Loch reingeschnitten und sind reingeklettert. Meine Aufgabe war, den Rückweg zu sichern. Ich sollte auf halber Strecke in beide Richtungen aufpassen und, falls eine Patrouille kam, entweder die unseren warnen oder die anderen ablenken. Aber so genau werden Sie’s nicht wissen wollen. Es war ziemlich neblig. Nach zwanzig Minuten sollte ich mich alleine davonmachen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe fünfundzwanzig gewartet. Dann hörte ich Schüsse. Ich bin zurück zum Zaun und raus aus dem Gelände. Als ich bei den Autos war, gab es eine Explosion und gleich noch eine. Ich bin einfach weitergerannt zur Straße. Zuerst hat keiner gehalten. Die müssen mich für eine gefährliche Verrückte gehalten haben mit meinem schwarzen Gesicht. Dann hab ich’s gemerkt und mich saubergemacht. Das dritte Auto nahm mich mit. Ein Apotheker aus Schwetzingen, der getrunken hatte und mich anmachen wollte. Als ich völlig hysterisch reagierte und außerdem verlangt habe, daß er mich in die Anstalt fährt, hat er wohl gedacht, daß ich dort hingehöre. Er hat mich in der Anstalt abgeliefert und war heilfroh, daß niemand ihn festgehalten oder ausgefragt hat.« Sie schloß die Augen und lehnte den Kopf an die Kopfstütze. »Rolf hatte Nachtdienst. Er gab mir ein Zimmer und eine Spritze, und ich schlief durch bis zum nächsten Abend.«
33
Am
Weitere Kostenlose Bücher