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Selbs Betrug

Selbs Betrug

Titel: Selbs Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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Ich gab ihm eine Kopie eines Bilds aus Leos Photoalbum.
    »Warum?«
    »Warum Lemke Wendt erschossen hat? Ich weiß nicht, Frau Nägelsbach. Ohnehin wissen wir nur, daß Wendt mit Lemkes Pistole erschossen wurde. Ich dachte, daß Ihr Mann und ich vielleicht gemeinsam weiterkommen.«
    »Was kann ich beitragen? Sie wissen mehr als ich. Natürlich haben wir uns um den Mann und den Golf gekümmert, die Frau Kleinschmidt gesehen hat, haben die Nachbarn gefragt und nach Spaziergängern gesucht. Aber es hat geschüttet, auch das wissen Sie, und niemand hat was gesehen. Oder doch nichts Brauchbares. In dem Haus, vor dem der Golf geparkt hat, haben die Kinder auf die Mutter gewartet und ab und zu aus dem Fenster gesehen. Rot hat das Mädchen den Golf in Erinnerung, schwarz der Junge, und das Nummernschild haben sie sich nicht gemerkt.« Er lachte. »So albern es ist – jedesmal, wenn ich jetzt einem roten oder schwarzen Golf begegne, versuche ich, einen Blick auf den Fahrer zu erhaschen. Kennen Sie das?«
    »Ja.« Ich wartete, aber Nägelsbach redete nicht weiter. »Das klingt fast, als sei der Fall Wendt zu den Akten gelegt.«
    »Wir hatten, ehrlich gesagt, nicht recht gewußt, was wir noch machen sollten. Jetzt, wo Sie uns ein gutes Stück weitergebracht haben, geht es wieder voran. Wer ist Lemke? Wo haben sich die Wege der beiden gekreuzt? War am Ende Wendt der fünfte Mann beim Anschlag?«
    »War er nicht.«
    »Auch das präsentieren Sie mir auf silbernem Tablett. Sie werden wieder nicht sagen wollen, woher Sie’s wissen?«
    »Wenn Sie darauf anspielen, daß ich nicht gesagt habe, woher ich die Kugel habe, das will ich gerne nachholen.« Ich erzählte von meiner Begegnung mit Lemke. »Jetzt haben Sie aber weiß Gott viel mehr von mir erfahren als ich von Ihnen.«
    Frau Nägelsbach gab mir recht. »Ich finde auch, du schuldest ihm was.«
    Er widersprach. »Ich werde ihn auf dem laufenden halten, gewiß. Aber er hatte eine Kugel, und ich hatte eine. Jeder mußte seine einbringen, damit wir sie vergleichen und rausfinden konnten, daß sie aus derselben Waffe stammen. Jetzt geht’s bei uns beiden voran. Bei mir – davon habe ich schon gesprochen. Und er wird morgen früh seinen Auftraggeber anrufen und einen ersten Erfolg melden.«

12
Über Stock und Stein
    So geschah es. Frau Büchler war zufrieden. Nein, Herrn und Frau Wendt könne ich noch nicht sprechen. Sie seien mit Tochter in Badenweiler.
    Der Morgen war frisch, und ich zog einen Pullover zu Cordhose und Wanderstiefeln an. Friedrich-Ebert-Brücke, Friedrich-Ebert-Straße, durch Käfertal und Vogelstang, über die Entlastungsstraße nach Viernheim, wo ich von der Nibelungenstraße wieder auf eine Friedrich-Ebert-Straße kam. Alles fließt. Wir fahren über dieselbe Friedrich-Ebert-Straße und doch nicht über dieselbe, wir sind es, und wir sind es nicht.
    Als links der Zaun auf den Lorscher Weg traf, stellte ich den Kadett ab und lief los. Ich folgte dem Zaun durch den Wald nach Westen. Der Boden federte unter meinen Füßen, die Vögel sangen, die Bäume rauschten im Wind, und es roch nach Harz, modrigem Laub und frischem Grün. Auf dem asphaltierten Weg hinter dem Zaun begegneten mir weder Wachhunde noch Sicherheits- oder Militärstreifen. Der Zaun selbst sah nicht aus, als sei er in den letzten Monaten beschädigt oder erneuert worden. Nach einer Viertelstunde wurde das Rauschen lauter – es war nicht mehr der Wind, sondern die Autobahn. Der Zaun führte neben ihr nach Norden. Die Autos sausten an mir vorbei, und einmal verfehlte eine leere Dose nur knapp meinen Kopf. Ich war froh, als ich dem Zaun wieder in den Wald folgen konnte.
    Dann überlegte ich’s mir anders. Natürlich würde ich von den Reifen des Wagens, mit dem Leos Gruppe zum Anschlag gefahren war, keine Spuren mehr finden. Aber ich wollte schauen, welchen Weg der Wagen genommen haben könnte. Die Böschung war für einen Pkw kein Problem. Ich fand auch einen Waldweg, auf dem ein Auto gut fahren und den es über die Böschung gut erreichen konnte. Er führte aus dem Wald auf eine Heidelandschaft mit verkrüppeltem Gebüsch, vertrocknetem Gras, Blaubeerensträuchern und Wiesenblumen. Querfeldein auf ein Wäldchen zu – so hatte Leo den Weg beschrieben, und ich ging über das freie Feld dorthin, wo hinter den Bäumen der Zaun verlaufen mußte. Das üppige Brombeergestrüpp am Waldrand merkte ich für eine Ernte im August vor. Im Wald war ich bald wieder am Zaun.
    Hier war er neu. Ich lauschte, ob

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