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Selbs Betrug

Selbs Betrug

Titel: Selbs Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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nicht nach einem Dialog mit Gerhard Selb.
    Der Anrufbeantworter in meinem Büro hatte Peschkaleks Nachricht, er habe eine Idee, und Philipps Bitte um Rückruf aufgezeichnet. Einige Anrufer hatten wortlos aufgelegt. Dann hörte ich fernes Stimmengewirr, Summen und synthetische Piepstöne irgendeines Fernmeldecodes und wußte, daß Leo am Apparat war, noch ehe sie sprach. »Gerd? Gerd, hier ist Leo.« Sie machte eine lange Pause. »Helmut hat Rolf nicht umgebracht, nur daß du es weißt.« Wieder dauerte es lange, bis sie weitersprach. »Ich bin weit weg. Ich hoffe, es geht dir gut.« Sie legte auf. Als ob Lemke es ihr sagen würde, wenn er Wendt ermordet hatte!
    Philipp beschwerte sich, als ich zurückrief: »Warum erreicht man dich nie? Bumst du durch den Mai? Laue Nächte, neue Kräfte, frische Säfte?«
    »Quatsch, ich war mal bei Brigitte, aber …«
    »Du mußt dich nicht dafür entschuldigen. Ich versteh das schon. Ich beneide dich darum. Meine Tage sind gezählt, jetzt mußt du die Fahne hochhalten.«
    »Was ist los?« Was konnte Philipp stoppen außer Aids?
    »Freitag heiraten wir. Machst du den Trauzeugen?«
    Ich will nicht sagen, daß Philipp, weil er auf die Sechzig geht, zu alt zum Heiraten ist. Ich will auch nicht sagen, daß er zu jung dazu ist, weil er jedem Rock hinterherläuft. Ich kann ihn mir einfach nicht verheiratet vorstellen. »Machst du Witze?«
    »Werd nicht frech. Sei um fünf vor zehn am Rathaus, Punkt zehn geht’s los. Danach feiern wir bei Antalya Türk. Bring Zeit mit und Brigitte.« Er war in Eile. »Ich würde vor der Hochzeit gerne noch mal einen mit dir draufmachen, aber du hast keine Ahnung, was ich die Tage um die Ohren hab, obwohl Fürzchen Urlaub genommen hat. Ziehen wir eben danach einmal zusammen los, sie wird schon nichts dagegen haben.«
    Meine Vorstellung, in einer türkischen Ehe lasse der Mann sich von der Frau nicht hineinreden, war anscheinend überholt. Oder hatte Füruzan sich mit Bedacht keinen türkischen Mann gesucht? Oder machte Philipp einen Fehler? Sollte ich ihn zum Kämpfer im Ehekrieg aufbauen, ausgerechnet ich?
    Peschkalek hatte nicht nur eine Idee. Er hatte auch einen Vorschlag, über den er mit mir reden wollte. Wir verabredeten uns zur Sauna im Herschelbad.
    Auch er hatte es gerne richtig heiß und ohne Aufguß. Auch er rauchte zwischendurch. Mein Rhythmus – dreimal finnisch in rascher Folge, dann nach längerer Pause noch zweimal türkisch – war auch der seine. Im großen Becken lieferten wir uns eine Wasserschlacht nach Admiral Puschkins Regeln. Er sah mit seinem Bauch, seiner Glatze und dem buschigen Schnurrbart, in dem die Wassertropfen perlten, wie ein freundlicher Seelöwe aus. Als wir unter den weißen Tüchern auf den Liegen lagen, geschlafen hatten, aufgewacht waren und uns gestreckt hatten, waren wir einander angenehm vertraut.
    »Was sollte eigentlich die kleine Schau, die Sie neulich aufgeführt haben, Peschkalek? Zu tun, als käme Ihnen über unserem gemeinsamen Mittagessen angelegentlich in den Sinn, das ›Viernheimer Tageblatt‹ aufzusuchen, und als sei Ihnen erst im Gespräch mit Walters aufgegangen, daß Giftgas im Munitionsdepot sein könnte? Die Geschichte mit dem Giftgas kannten Sie schon, das Munitionsdepot auch und Straßenheim erst recht.«
    »Ich geb’s zu, Selb, ich geb’s zu. Die kleine Schau sollte Ihnen den Mund wäßrig machen. Ich glaube, ich schaffe den Fall nicht alleine. Ich wollte nicht riskieren, daß Sie die Giftgasgeschichte nicht ernst nehmen und sich nicht mit ihr beschäftigen. Ich brauche Ihre Hilfe.« Er druckste herum. »Damit sind wir auch schon bei meinem Vorschlag. Wir fahren zu den Amerikanern und lassen uns sagen, was Sache ist.«
    »Tolle Idee.«
    »Bitte keine Ironie. Natürlich fahren wir nicht einfach hin, gestatten, Peschkalek, gestatten, Selb, würden Sie uns freundlicherweise über den Anschlag im Januar aufklären? Wir kommen den Amerikanern amtlich.«
    »General Peschkalek und Sergeant Selb von den Marines?«
    »Nicht von den Marines, sondern von der Bundeswehr, und Major tut’s auch. Als Militär würde nur ich auftreten, Sie kämen aus dem Bundespräsidialamt. Der Bundespräsident will den Feuerwehrleuten, die gelöscht haben, und den Wachmännern, die betroffen waren und verletzt wurden, einen Orden verleihen. Wir kommen, um mit dem Chef der Feuerwehr zu sprechen: über die Zahl der Orden, über die Namen und die Texte, die auf die Orden kommen sollen.«
    »Amtsanmaßung,

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