Selbs Betrug
Urkundenfälschung, vielleicht gibt’s auch Mißbrauch von Uniformen und Orden – das ist kein Pappenstiel. Wir kriegen dafür bestenfalls die Gewißheit, daß der Anschlag bei Viernheim und nicht in Käfertal oder Vogelstang war und daß dort altes oder neues Giftgas lagert oder beides. Im Fall Wendt bin ich damit keinen Schritt weiter.«
»So? Daß Wendt was mit einem Anschlag zu tun hat, der mysteriös ist und vertuscht wird, ist doch Ihre einzige Spur. Wenn an dem Anschlag nichts mysteriös ist und nichts vertuscht wird, dann lebwohl, Spur.« Er setzte sich auf, hielt die Handfläche vor sich und blies die Spur davon.
»Die Latte von Straftaten interessiert Sie nicht?«
»Ich bereite unsere Exkursion zu den Amerikanern schon so vor, daß nichts schiefgeht.« Er legte dar, wo er die Uniform besorgen, wie er die eingeschweißten Ausweise herstellen und von wem er sich über die einschlägigen Namen, Ränge und Kompetenzen instruieren lassen wolle. Dann merkte er, daß ich noch nicht zufrieden war. »Was noch? Haben Sie Angst, daß die Amerikaner unsere vorgesetzte Dienststelle anrufen, die nichts von uns weiß? Wir haben keine normale vorgesetzte Dienststelle. Das ist des Pudels Kern. Die törichten unter den fremdgehenden Ehemännern flunkern ihren Frauen Dienstreisen, Geschäftstermine, Treffen mit Kollegen und Freunden vor, die es gibt, nur nicht so oft und nicht gerade hier und jetzt. Das fliegt eines Tages unweigerlich auf. Die pfiffigen erfinden völlig neue Freunde, geschäftliche Kontakte und Aktivitäten. Wo nichts ist, fliegt auch nichts auf. Beim Bundespräsidenten rufen die Amerikaner nicht an, bei ihm sind Sie beschäftigt, ich bin zu ihm abgeordnet, und meine Stammdienststelle erfinde ich so, daß es sie nicht gibt, aber geben könnte. Sie sind noch nicht überzeugt? Lassen Sie mal, ich bereite alles vor und rufe Sie in den nächsten Tagen an.«
14
Kein guter Eindruck
Der Anruf kam schon am übernächsten Morgen. »Ich schaue um neun vorbei. Mehr als zwei Stunden brauchen wir nicht. Ihren Ausweis bringe ich mit – ziehen Sie einen dunklen Anzug an!«
»Was ist aus der sorgfältigen Vorbereitung geworden? Sie können doch nicht in einem Tag …«
Er lachte. »Ehrlich gesagt bereite ich’s schon seit einer Weile vor. Ich konnte Sie doch nur fragen, weil ich wußte, daß es klappt, und ob etwas klappt, weiß ich erst, wenn ich es vorbereite.«
»Woher wissen Sie, daß ich mitmache?«
»Sie machen mit? Gut, ich habe uns auch schon angekündigt.«
»Sie haben …«
»Ich setze Sie doch nicht unter Druck? Wenn nicht, dann nicht. Bis bald.«
Ich zog meinen dunkelblauen Anzug an und steckte die Lesebrille ein. Es ist eine Halbbrille, und wenn ich sie halbwegs zur Nasenspitze rutschen lasse und über ihren Rand schaue, sehe ich wie ein älterer Staatsmann aus. Ich ging nicht nur mit, weil ich’s wissen wollte. Mir war auch, als würde ich Peschkalek sonst im Stich lassen.
Wir liefen zum Bahnhof. Seine Uniform war zu eng, aber er versicherte mir, daß die Uniformen der Bundeswehr notorisch schlecht sitzen. »Wie gesagt, wir sind aus dem Bundespräsidialamt. Sie machen ein paar allgemeine Bemerkungen, und ich bespreche die Details. Viel mehr, als daß die Feuerwehrleute und die Wachmänner für ihren Einsatz am 6. Januar Orden kriegen sollen, müssen Sie nicht sagen. Wo Ihr Englisch nicht langt, übernehme ich.«
Vom Bahnhof fuhren wir, als seien wir mit dem Zug aus Bonn gekommen, mit der Taxe zum Vogelstang. Peschkalek nahm zwei scheckkartengroße, in Plastik eingeschweißte Ausweise aus der Tasche seiner Jacke und klippte sie sich und mir ans Revers. Sie sahen hübsch aus. Mein Portrait in Farbe gefiel mir; Peschkalek hatte es auf Wendts Beerdigung geschossen.
Trotz Peschkaleks ermunterndem Zuspruch war mir vor der englischen Konversation bange. Ich erinnerte mich an die Zeit, in der Witze über Lübkes Englisch in Mode waren. Ich habe sie oft nicht verstanden und dies zwar wissend schmunzelnd vor den anderen verborgen, aber mir nicht vormachen können, mein Englisch sei der Rede wert. Ob ich Lübke deswegen ein gutes Andenken bewahre? Nein, auf alle werfe ich ein mildes Auge, wenn sie erst einmal abgetreten sind, auch auf den singenden Scheel, den wandernden Carstens, den grimmigen Gromyko oder den späten DDR -Großkopf, der immer wie Fernandel gelacht hat und dessen Namen schon niemand mehr kennt.
»Sir!« Der Soldat am Tor mit weißem Helm und Gürtel stand stramm.
Peschkalek grüßte
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