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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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›Rhein-Neckar-Zeitung‹ aus, und aus irgendeinem Grund setzte sich das Kürzel RNZ in meinem Kopf fest.
    Als ich im ›Café Gmeiner‹ vorm Kaffee saß und auf die Eier mit Speck wartete, hatte ich dasselbe Gefühl, wie wenn ich jemandem etwas sagen möchte, aber nicht darauf komme, was. Hatte es mit der RNZ zu tun? Mir fiel ein, daß ich Tietzkes Interview mit Firner nicht gelesen hatte. Aber das war es nicht, wonach ich suchte. Hatte mir nicht gestern jemand von der RNZ erzählt? Nein, Oelmüller hatte gesagt, das RRZ hätte sich beim Smogalarm getäuscht. Das war anscheinend die für den Smogalarm und die Emissionsdatenerfassung zuständige Stelle. Aber da war noch etwas, worauf ich nicht kam. Es hatte mit dem Verstärker zu tun, der als Empfänger funktionierte.
    Als die Eier mit Speck kamen, bestellte ich noch einen Kaffee. Die Kellnerin brachte ihn erst nach der dritten Aufforderung. »Tut mir leid, Herr Selb, ich hab heut eine lange Leitung. Ich hab gestern auf meiner Tochter ihren Bub aufgepaßt, weil die jungen Leut das Abo beim Theater haben und gestern spät heimgekommen sind. Die Götterdämmerung vom Wagner hat so lange gebraucht.«
    Lange Leitung. Natürlich, das war’s, die lange Leitung zum RRZ . Herzog hatte mir vom Modell der direkten Emissionsdatenerfassung berichtet. Dieselben Emissionsdaten werden auch im RCW -System erfaßt, hatte Oelmüller gesagt. Und Ostenteich hatte vom Online-Anschluß der RCW an das staatliche Überwachungssystem gesprochen. Irgendwie mußten also das Rechenzentrum von RCW und RRZ zusammenhängen. War es möglich, vom RRZ aus über diesen Zusammenhang in das MBI -System einzudringen? Und war es denkbar, daß die Leute von den RCW dies schlicht vergessen hatten? Ich dachte zurück und erinnerte mich genau, daß von Terminals im Betrieb und von Telefonleitungen nach außen die Rede gewesen war, wenn wir uns über die möglichen Einbruchstellen ins System unterhalten hatten. Eine Leitung zwischen RRZ und RCW , wie ich sie mir im Moment vorstellte, war nie erwähnt worden. Sie gehörte weder zu den Telefonleitungen noch zu den Terminalverbindungen. Sie unterschied sich von diesen wohl dadurch, daß über sie nicht aktiv kommuniziert wurde. Vielmehr wanderte von den ungeliebten Sensoren ein stiller Datenfluß auf irgendwelche Protokollbänder. Daten, die niemanden im Werk interessieren und die man vergessen kann, wenn es nicht gerade einen Alarm oder einen Unfall gibt. Ich verstand, warum das musikalische Durcheinander auf meiner Anlage mich so lange beschäftigt hatte: Die Störung kam von innen.
    Ich stocherte in den Speckeiern und in den vielen Fragen herum, die mir durch den Kopf gingen. Vor allem brauchte ich zusätzliche Informationen. Mit Thomas, Ostenteich oder Oelmüller mochte ich jetzt nicht reden. Wenn sie eine RCW - RRZ -Verbindung vergessen hatten, würde sie dies am Ende mehr beschäftigen als die Verbindung selbst. Ich mußte mir das RRZ ansehen und dort jemanden erwischen, der mir die Systemzusammenhänge erklären konnte.
    Von der Telefonkabine neben der Toilette rief ich Tietzke an. Beim RRZ handelte es sich um das ›Regionale Rechenzentrum‹ in Heidelberg. »In gewisser Weise sogar überregional«, sagte Tietzke, »weil Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz dranhängen. Was haben Sie dort vor, Herr Selb?«
    »Können Sie es denn nie lassen, Herr Tietzke?« fragte ich zurück und versprach ihm die Rechte an meinen Memoiren.

15
Bam bam, ba bam bam
    Ich fuhr geradewegs nach Heidelberg. Einen Parkplatz ergatterte ich vor dem Juristischen Seminar. Ich ging die paar Schritte zum Ebert-Platz, dem früheren Wrede-Platz, und fand das Regionale Rechenzentrum in dem alten Bau mit den zwei Eingangssäulen, in dem einst die Deutsche Bank residiert hatte. In der ehemaligen Schalterhalle saß der Pförtner.
    »Selk vom Springer-Verlag«, stellte ich mich vor. »Ich möchte gerne mit einem Ihrer Herren von der Emissionsüberwachung reden, das Verlagshaus hat mich angemeldet.«
    Er griff zum Telefon. »Herr Mischkey, hier ist jemand vom Springer-Verlag, der Sie sprechen möchte und sagt, daß er angemeldet ist. Soll ich ihn hochschicken?«
    Ich schaltete mich ein. »Kann ich selber mit Herrn Mischkey reden?« Und weil der Pförtner an einem Tisch saß, der nicht mit Glas abgeschirmt war, und weil ich schon danach gegriffen hatte, gab er mir verdutzt den Hörer.
    »Guten Tag, Herr Mischkey, hier Selk vom Springer-Verlag, dem mit dem Pferdchen, dem wissenschaftlichen,

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