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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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ein Schweinsohr zu seinem Kännchen Kaffee. Mit Sahne.
    Offenbar war er ein schlechter Futterverwerter. Schlanke, die so reinschichten können, machen mich neidisch.
    »Wie wär’s jetzt mit einer pfiffigen Antwort auf meine pfiffige Frage?« nahm ich den Faden auf.
    »Theoretisch gibt es zwei offene Flanken. Einmal kann man an den Sensoren rummachen, aber die sind so gut verplombt, daß das nicht unbemerkt bliebe. Die andere Einbruchstelle ist die Sammelstelle mit dem Anschluß der Werksleitung. Da haben sich die Politiker auf einen Kompromiß eingelassen, den ich für ganz faul halte. Denn letztlich kann man nicht ausschließen, daß von diesem Anschluß aus die Emissionsdaten gefälscht oder, noch schlimmer, die Programmstrukturen des Smogalarm-Systems manipuliert werden. Natürlich haben wir Sicherungen eingebaut, die wir ständig verfeinern, aber Sie können sich das wie beim Wettrüsten vorstellen. Jedes Abwehrsystem kann durch ein neues Angriffssystem überlistet werden und umgekehrt. Eine unendliche und unendlich teure Spirale.«
    Ich hatte die Zigarette im Mund und klopfte alle Taschen nach meinem Feuerzeug ab. Natürlich wieder vergebens. Da holte Mischkey aus der rechten Brusttasche seiner feinen Nappalederjacke zwei in Pappe und Plastik eingeschweißte Einwegfeuerzeuge, eines rosa, das andere schwarz. Mischkey brach die Packung auf.
    »Darf’s das rosa sein, Herr Selk? Eine Aufmerksamkeit des Hauses Horten.« Er zwinkerte mir zu, schob das rosa über den Tisch und gab mir mit dem schwarzen Feuer.
    > Ehemaliger Staatsanwalt hehlt Feuerzeuge. < Ich sah die Schlagzeile vor mir und spielte ein bißchen mit dem Feuerzeug herum, ehe ich es einsteckte und Mischkey dankte.
    »Und wie ist es umgekehrt? Könnte man auch vom RRZ aus in den Werkscomputer eindringen?«
    »Wenn die Werksleitung in den Computer führt und nicht in eine davon isolierte Datenstation, dann … Aber eigentlich müßten Sie das jetzt selbst wissen, nach allem, was ich gesagt habe.«
    »Also stehen Sie sich wirklich wie die beiden Supermächte gegenüber, mit Angriffs- und Abwehrwaffen.«
    Mischkey zupfte sich am Ohrläppchen. »Seien Sie vorsichtig mit Ihren Vergleichen, Herr Selk. Die Amerikaner, das kann in Ihrem Bild ja nur die kapitalistische Industrie sein. Dann bleibt für uns vom Staat die Rolle der Russen. Als Angehöriger des öffentlichen Dienstes«, er setzte sich auf, nahm die Schultern zurück und machte ein staatstragendes Gesicht, »muß ich diese impertinente Unterstellung mit aller Schärfe zurückweisen.« Er lachte, sank zusammen und aß sein Schweinsohr.
    »Noch was«, sagte er. »Manchmal amüsiert mich der Gedanke, daß die Industrie, die diesen für uns so schädlichen Kompromiß erkämpft hat, sich dafür insofern selbst bestraft hat, als jetzt natürlich über unser Netz der eine Konkurrent das System des anderen manipulieren kann. Ist das nicht hübsch, das RRZ als Drehscheibe der Industriespionage?« Er ließ die Kuchengabel auf dem Teller kreiseln. Als sie anhielt, zeigte die Spitze auf mich.
    Ich unterdrückte einen Seufzer. Mischkeys amüsantes Gedankenspiel ließ den Kreis der Verdächtigen explosionsartig anwachsen. »Eine interessante Variante. Herr Mischkey, Sie haben mir sehr geholfen. Falls mir noch was einfällt, darf ich Sie anrufen? Hier ist meine Karte.« Ich fingerte aus meiner Brieftasche die Visitenkarte mit meiner privaten Anschrift und Telefonnummer, auf der ich als freier Journalist Gerhard Selk firmiere.
    Den Weg zum Ebertplatz hatten wir gemeinsam.
    »Was sagt Ihr Meteorogramm über das kommende Wochenende?«
    »Gut wird’s, kein Smog und nicht einmal Regen. Es sieht nach einem Wochenende im Schwimmbad aus.«
    Wir verabschiedeten uns. Ich fuhr über den Römerkreisel in die Bergheimerstraße, um dort zu tanken. Ich konnte das Benzin nicht durch die Leitung laufen hören, ohne an die Leitungen zwischen RCW und RRZ und jetzt noch wer weiß was für Unternehmen zu denken. Wenn mein Fall ein Fall von Industriespionage war, dachte ich auf der Autobahn, dann fehlte da noch was. Die Vorkommnisse im RCW -System, an die ich mich erinnerte, paßten nicht zu einem Spionagefall. Es sei denn – hatte der Spion mit ihnen seine Fährte verwischen wollen? Aber hatte er dazu nicht nur dann Anlaß, wenn er befürchten mußte, man sei ihm auf die Fährte gekommen? Und warum sollte er das befürchten müssen? War eines der ersten Vorkommnisse vielleicht geeignet, ihn zu entlarven? Ich mußte mir die Berichte

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