Selbs Justiz
nochmals ansehen. Und ich mußte bei Firner anrufen und mir eine Liste der an das Smogalarmsystem angeschlossenen Betriebe besorgen lassen.
Ich erreichte Mannheim. Es war drei Uhr, die Jalousien der Mannheimer Versicherung hatten schon ihre Feierabendstellung eingenommen. Nur die Fenster, die das nachts beleuchtete M ergaben, waren noch im Dienst. M wie Mischkey, dachte ich.
Der Mann gefiel mir. Er gefiel mir auch als Verdächtiger. Da war der Spieler, der Tüftler und der Schalk, nach dem ich von Anfang an gesucht hatte. Er hatte die nötige Phantasie, die nötige Kompetenz und saß an der richtigen Stelle. Aber mehr als ein Gefühl war das nicht. Und wenn ich ihn damit stellen wollte, würde er mich souverän abblitzen lassen.
Ich würde ihn am Wochenende beschatten. Mehr als das Gefühl für die Person hatte ich noch nicht, und ich sah nicht, wie ich seine Spur anders verfolgen sollte. Vielleicht würde er auch eine Bewegung machen, die mich auf neue Ideen brächte. Wenn es Winter gewesen wäre, hätte ich mich in der Buchhandlung für das Wochenende mit Literatur über Computerkriminalität eingedeckt. Beschatten ist im Winter ein kaltes und hartes Geschäft. Aber im Sommer geht’s, und Mischkey wollte ins Schwimmbad.
17
Schämen Sie sich!
Daß Mischkey derzeit in Heidelberg am Burgweg 9 wohnte, einen Citroën DS Kabriolett mit dem Kennzeichen HD-CZ 985 fuhr, unverheiratet und kinderlos war, als Regierungsrat rund 55000 Mark verdiente und bei der Bank für Gemeinwirtschaft einen persönlichen Kredit über 30000 Mark hatte, den er ordentlich abzahlte, sagte mir noch am Freitag mein Kollege Hemmelskopf vom Kreditinformationsdienst. Am Samstag war ich um sieben am Burgweg.
Der Burgweg ist ein kleines, für den Verkehr gesperrtes Stück Straße und führt in seinem oberen Teil als Fußweg zum Schloß. Die Bewohner der etwa fünf Häuser im unteren Teil dürfen ihre Autos dort parken und haben einen Schlüssel zur Schranke, die den Burgweg vom Unteren-Faulen-Pelz abtrennt. Ich war froh, Mischkeys Auto dort stehen zu sehen. Es war eine Schönheit, flaschengrün mit blitzendem Chrom und cremefarbenem Verdeck. Dahin also war der persönliche Kredit geflossen. Mein eigenes Auto parkte ich in der Haarnadelkurve der Neuen Schloßstraße, von der eine steile gerade Treppe zum Burgweg hinunterführt. Mischkeys Auto stand mit der Schnauze bergaufwärts; wenn er losfahren würde, müßte ich genügend Zeit haben, gleichzeitig mit ihm im Unteren Faulen Pelz zu sein. Ich stellte mich so hin, daß ich den Eingang sehen konnte, ohne vom Haus aus gesehen zu werden.
Um halb neun ging in dem Haus, das ich für das Nebenhaus gehalten hatte, in meiner Augenhöhe ein Fenster auf, und Mischkey streckte sich nackt in der schon milden Morgenluft. Ich konnte gerade noch hinter die Litfaßsäule wischen. Ich lugte hervor, er gähnte, machte Rumpfbeugen und hatte mich nicht bemerkt.
Um neun Uhr verließ er das Haus, ging auf den Markt vor der Heiliggeistkirche, aß dort zwei Lachsbrötchen, trank im Drugstore in der Kettengasse einen Kaffee, flirtete mit der exotischen Schönen hinter der Bar, telefonierte, las die ›Frankfurter Rundschau‹, spielte ein Blitzschach, machte noch ein paar Besorgungen, ging nach Hause, um die Einkäufe abzustellen und mit einer großen Tasche wieder rauszukommen, und stieg ins Auto. Jetzt ging’s zum Baden, er trug ein Leibchen mit der Aufschrift ›Greatful Dead‹, abgeschnittene Jeans, Jesussandalen und hatte dünne bleiche Beine.
Mischkey mußte sein Auto wenden, aber die Schranke unten war offen, und so hatte ich alle Mühe, rechtzeitig mit meinem Kadett hinter ihm zu sein, ein Auto zwischen uns. Ich konnte die Musik aus seiner voll aufgedrehten Stereoanlage hören. ›He’s a pretender‹, sang Madonna.
Es ging auf die Autobahn nach Mannheim. Dort fuhr er mit achtzig am ADAC -Pavillon und am Verwaltungsgerichtshof vorbei und den Oberen Luisenpark entlang. Plötzlich bremste er scharf und bog nach links ab. Als der Gegenverkehr auch mich abbiegen ließ, sah ich Mischkeys Auto nicht mehr. Langsam fuhr ich weiter und hielt nach dem grünen Kabriolett Ausschau. An der Ecke zur Rathenaustraße hörte ich laute Musik, die plötzlich erstarb. Ich tastete mich weiter. Mischkey stieg aus dem Auto und ging ins Eckhaus.
Ich weiß nicht, was mir zuerst ein- oder auffiel, die Anschrift oder das Auto von Frau Buchendorff, das vor der Christuskirche silbrig glänzte. Ich drehte die rechte Scheibe runter
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