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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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eine Bockwurst mit viel Senf und Pommes frites und las meine ›Süddeutsche‹.
    Eine Stunde später wartete ich mit meinem Auto wieder vor dem anderen Bad. Aber erst um sechs kamen die beiden durch das Drehkreuz. Mischkeys dünne Beinchen waren rot, Frau Buchendorff trug ihr schulterlanges Haar offen und unterstrich ihre Bräune durch ein blaues Seidenkleid. Dann fuhren sie zu ihr in die Rathenaustraße. Als sie wieder rauskamen, hatte sie eine kühn karierte, dreiviertellange Bundfaltenhose an und darüber einen schwarzen Lederstrickpulli, er kam mit einem hellen Leinenanzug. Sie gingen die paar Schritte zum Steigenberger Hotel in der Augusta-Anlage und dort in die Bar. Ich drückte mich in der Hotelhalle rum, bis ich sie mit ihren Gläsern von der Bar ins Restaurant gehen sah. Jetzt ging ich an die Bar und bestellte mir einen Aviateur. Der Barmann machte große Augen, ich erklärte ihm die Mischung, und er nickte beifällig. Wir kamen ins Gespräch.
    »Wir haben ein verdammtes Glück«, sagte er. »Eben kam ein Paar in die Bar, wollte im Restaurant essen. Da rutschte dem Mann eine Karte aus der Brieftasche und mir auf die Theke. Er hat sie zwar gleich wieder eingesteckt, aber ich habe doch gesehen, was drauf stand: Inspecteur de bonne table und dabei das Michelin-Männchen. Das war einer von denen, wissen Sie, die den Führer machen. Wir sind ein gutes Restaurant, aber ich habe trotzdem dem Maître de service gleich gesagt, was Sache ist, jetzt kriegen die beiden einen Service und ein Essen, wie sie es nicht vergessen werden.«
    »Und Sie kriegen endlich Ihren Stern oder wenigstens drei gekreuzte Gäbelchen und Löffelchen.«
    »Wollen wir hoffen.«
    Inspecteur de bonne table – Teufel auch. Ich glaube nicht, daß es echte Ausweise dieser Art gibt, war fasziniert von Mischkeys Phantasie, und zugleich war mir nicht wohl angesichts dieser kleinen Hochstapelei. Auch der Zustand der deutschen Gastronomie machte mir Sorgen. Mußte man schon zu solchen Mitteln greifen, um einen anständigen Service zu bekommen?
    Ich konnte die Beschattung für heute getrost abbrechen. Die beiden würden nach einem letzten Calvados zu Frau Buchendorff oder auch zu Mischkey nach Heidelberg gehen. Bei einem sonntagmorgendlichen Spaziergang zur Christuskirche würde ich schnell feststellen können, ob beide Autos, kein Auto oder nur Frau Buchendorffs Auto vor dem Haus in der Rathenaustraße stünden.
    Ich ging nach Hause, fütterte den Kater mit Dosenfutter, mich mit Ravioli und ging zu Bett. Ich las noch ein bißchen im ›Grünen Heinrich‹ und wünschte mich vor dem Einschlafen an den Zürichsee.

18
Die Unsauberkeit der Welt
    Am Sonntag morgen holte ich mir Tee und Butterkekse ans Bett und dachte nach. Ich war sicher: Ich hatte meinen Mann. Mischkey entsprach in allem dem Bild, das ich mir vom Täter gemacht hatte, war Tüftler, Spieler und Schalk, und der hochstaplerische Zug rundete das Täterbild überzeugend ab. Als Mitarbeiter des RRZ hatte er die Gelegenheit, in die Systeme der angeschlossenen Unternehmen einzudringen, als Freund von Frau Buchendorff das Motiv, dies gerade bei den RCW zu tun. Die Gehaltserhöhung für die Chefsekretärinnen war eine anonyme Freundlichkeit für die Freundin gewesen.
    Diese Indizien allein würden vor Gericht, wenn es dort mit rechten Dingen zuginge, nicht ausreichen. Gleichwohl waren sie für mich überzeugend genug, um mich weniger überlegen zu lassen, ob er’s war, als wie ich ihn überführen könnte.
    Ihn konfrontieren, vor Zeugen, damit er unter der Last seiner Schuld zusammenbricht – albern. Ihm eine Falle stellen, zusammen mit Oelmüller und Thomas, diesmal gezielt und besser vorbereitet – zum einen wußte ich nicht, ob das Erfolg haben würde, zum anderen wollte ich das Duell mit Mischkey selbst und mit meinen Mitteln austragen. Kein Zweifel, dieser Fall war einer von denen, die mich persönlich packten. Vielleicht forderte er mich sogar zu persönlich heraus. Ich empfand eine unsaubere Mischung aus beruflichem Ehrgeiz, Respekt für den Gegner, keimender Eifersucht, klassischer Rivalität zwischen Jäger und Gejagtem, Neid auf Mischkeys Jugend. Ich weiß zwar, daß dies die Unsauberkeit der Welt ist, der nur die Heiligen entrinnen und die Fanatiker meinen, entrinnen zu können. Gleichwohl stört sie mich manchmal. Weil so wenige sie sich eingestehen, denke ich dann, nur ich litte unter ihr. Auf der Universität in Berlin hatte mein Lehrer Carl Schmitt uns Studenten eine Theorie

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