Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
Vom Netzwerk:
dem Herzen haben, wenn Sie in der Verfassung herkommen«, begrüßte mich Nägelsbach. »Stört es Sie, wenn meine Frau dabei ist? Ich sage ihr alles, auch aus dem Dienst. Die Verschwiegenheitsvorschriften sind nicht für kinderlose Ehepaare, die nur sich haben.«
    Während ich erzählte, arbeitete Nägelsbach weiter. Er unterbrach mich nicht. Am Ende meines Berichts schwieg er eine Weile, machte dann das Licht über seiner Arbeitsplatte aus, wandte sich mit seinem hohen Stuhl zu uns und sagte: »Sag Herrn Selb, wie die Dinge stehen.«
    »Die Polizei bekommt mit dem, was Sie eben erzählt haben, vielleicht einen Durchsuchungsbefehl für den alten Hangar. Darin findet sie vielleicht auch noch den Citroën. Aber nichts daran wird besonders und verdächtig sein, keine spiegelnde Folie, kein tödliches Triptychon mehr. Das war übrigens hübsch, wie Sie das beschrieben haben. Nun, und dann kann die Polizei ein paar Werkschutzleute verhören und die Witwe Schmalz und wen Sie sonst noch genannt haben, aber was soll dabei rauskommen?«
    »So ist es, und natürlich kann ich Herzog besonders auf den Fall anspitzen, und er kann versuchen, seine Verbindung zum Werkschutz spielen zu lassen, nur ändern wird das nichts. Aber das wissen Sie doch alles, Herr Selb.«
    »Ja, da bin ich mit meinen Überlegungen auch angekommen. Trotzdem dachte ich, daß Ihnen vielleicht etwas einfällt, daß die Polizei vielleicht noch was machen kann, daß … Ach, ich weiß auch nicht, was ich dachte. Ich bin nicht damit zurechtgekommen, daß der Fall so zu Ende gehen soll.«
    »Hast du eine Idee zum Motiv?« Frau Nägelsbach wandte sich an ihren Mann. »Kann man darüber nicht noch weiterkommen?«
    »Ich kann mir bei dem, was wir bisher wissen, nur vorstellen, daß was schiefgelaufen ist. So in der Art der Geschichte, die du mir neulich vorgelesen hast. Die RCW haben Ärger mit Mischkey, und das wird immer lästiger und lästiger, und dann sagt ein Maßgeblicher: ›Jetzt langt’s aber‹, und sein Untergebener kriegt einen Schreck und gibt seinerseits weiter: ›Sorgen Sie dafür, daß wir vor dem Mischkey Ruhe kriegen, strengen Sie sich an‹, und der das gesagt bekommt, will Einsatz zeigen und spornt seine Untergebenen an und ermuntert sie dazu, sich was einfallen zu lassen, auch ruhig was Außergewöhnliches, und am Ende dieser langen Reihe meint dann einer, was man von ihm verlangt, ist Mischkey umzulegen.«
    »Aber der alte Schmalz war in Rente und stand gar nicht mehr in der Reihe«, gab seine Frau zu bedenken.
    »Schwer zu sagen. Wie viele Polizisten kenne ich, die sich auch nach der Pensionierung immer noch als Polizisten fühlen.«
    »Um Gottes willen«, unterbrach sie ihn, »wirst mir doch nicht …«
    »Nein, ich werde dir nicht. Vielleicht war Schmalz senior so einer, der sich immer noch im Dienst fühlte. Was ich mit all dem sagen will, ist, daß es das Mordmotiv im klassischen Sinn hier gar nicht geben muß. Der Mörder ist bloß ausführendes Organ ohne Motiv, und wer das Motiv hatte, wollte drum noch nicht den Mord. Das ist die Wirkung und letztlich auch der Zweck von Befehlshierarchien. Wir kennen das auch bei der Polizei, beim Militär.«
    »Meinst du, es wäre mehr zu machen, wenn der alte Schmalz noch am Leben wäre?«
    »Nun, zunächst einmal wäre Herr Selb nicht soweit gekommen. Er hätte nichts von Schmalz’ Verletzung erfahren, hätte nicht im alten Hangar gesucht und schon gar nicht dort den mörderischen Lieferwagen gefunden. Die Spuren wären längst beseitigt gewesen. Aber gut, stellen wir uns vor, wir wären auf andere Weise zu unserem Wissen gekommen. Nein, ich denke nicht, daß wir vom alten Schmalz was rausbekommen hätten. Der muß ein ganz schön harter Brocken gewesen sein.«
    »Das kann aber doch einfach nicht sein, Rudolf. Wenn man dich hört, dann ist der einzige, den man bei solchen Befehlsketten drankriegen kann, das letzte Glied. Und die anderen sollen alle unschuldig sein?«
    »Ob sie unschuldig sind, ist eine Frage, und ob man sie drankriegen kann, eine andere. Schau mal, Reni, ich weiß natürlich nicht, ob wirklich was schiefgelaufen ist und ob nicht vielmehr die Kette gerade so geschmiert war, daß jeder weiß, was gemeint ist, aber keiner es aussprechen muß. Aber wenn sie so geschmiert war, dann ist das jedenfalls nicht nachzuweisen.«
    »Soll man dem Herrn Selb dann raten, mal mit einem von den großen Tieren bei den RCW zu reden? Damit er ein Gefühl dafür kriegt, wie es sich

Weitere Kostenlose Bücher