Selbs Justiz
auf einen Meter an die Tür zurück. Dann griff ich mir vom Tisch einen langen, schweren Schraubenschlüssel. Einer meiner beiden Verfolger warf sich gegen die Tür.
Ich preßte mich neben der Tür an die Wand. Jetzt brauchte ich viel Glück. Als ich mit dem nächsten Stoß gegen die Tür rechnete, drückte ich die Klinke runter.
Die Tür sprang auf, mit ihr stürzte der erste Werkschützer in den Hangar und zu Boden. Der zweite stürmte mit erhobener Pistole nach und hielt erschreckt vor seinem Spiegelbild inne. Dem Schäferhund hatte man beigebracht, den Mann anzugreifen, der seinen Herrn mit erhobener Waffe bedroht, und er sprang durch die reißende Folie. Ich hörte ihn im Laderaum schmerzlich jaulen. Der erste Werkschutzmann lag benommen am Boden, der zweite begriff noch nicht, ich nutzte die Verwirrung, wischte aus dem Tor und spurtete Richtung Boot. Ich war über den Gleiskörper auf der Straße vielleicht zwanzig Meter vorangekommen, da hörte ich, daß Energie und Ausdauer meine Verfolgung aufgenommen hatten: »Halt, stehenbleiben, oder ich schieße.« Ihre schweren Stiefel schlugen einen raschen Takt auf das Kopfsteinpflaster, das Hecheln des Hundes kam näher und näher, und ich hatte keine Lust, die Anwendung der Vorschriften über den Schußwaffengebrauch auf dem Werksgelände kennenzulernen. Der Rhein sah kalt aus. Aber ich hatte keine Wahl und sprang.
Der Kopfsprung aus vollem Lauf hatte genug Schwung, um mich erst nach einem guten Stück wieder an die Wasseroberfläche kommen zu lassen. Ich wandte den Kopf und sah die Werkschützer mit dem Schäferhund an der Kaimauer stehen und mit der Taschenlampe ins Wasser leuchten. Meine Kleider waren schwer, und die Rheinströmung ist stark, und ich kam nur mühsam voran.
»Gerd, Gerd!« Philipp ließ sein Boot im Schatten der Kaimauer abwärts treiben und rief flüsternd nach mir.
»Hier«, rief ich flüsternd zurück. Dann war das Boot neben mir, Philipp zog mich hoch. In dem Moment sahen uns Energie und Ausdauer. Ich weiß nicht, was sie unternehmen wollten. Uns unter Beschuß nehmen? Philipp startete den Motor und drehte mit sprühender Bugwelle zur Rheinmitte. Erschöpft und zitternd vor Kälte saß ich auf Deck. Ich zog den blutbefleckten Lappen aus der Tasche. »Kannst du mir noch einen Gefallen tun und untersuchen, was das für Blut ist? Ich glaub’s zwar zu wissen, Blutgruppe Null, Rhesusfaktor negativ, aber sicher ist sicher.«
Philipp grinste. »Wegen dieses feuchten Lappens die ganze Aufregung? Aber eins nach dem andern. Du gehst jetzt erst mal unter Deck, nimmst eine heiße Dusche und ziehst meinen Bademantel an. Sobald wir an der Wasserschutzpolizei unbehelligt vorbei sind, mach ich dir einen Grog.«
Als ich wieder unter der Dusche hervorkam, waren wir in Sicherheit. Weder die RCW noch die Polizei hatten uns ein Kanonenboot nachgeschickt, und Philipp war gerade dabei, das Boot bei Sandhofen wieder in den Altrhein-Arm zu manövrieren. Obwohl mich die Dusche aufgewärmt hatte, zitterte ich noch immer. Das war ein bißchen viel gewesen für mein Alter. Philipp hatte am alten Liegeplatz angelegt und kam in die Kabine. »Mein lieber Schwan«, sagte er. »Du hast mir einen schönen Schreck eingejagt. Als ich die Typen gegen das Blech trommeln hörte, dachte ich schon, daß was schiefgegangen ist. Ich wußte nur nicht, was ich machen soll. Dann hab ich dich springen sehen. Alle Achtung.«
»Ach weißt du, wenn erst mal ein scharf dressierter Hund hinter dir her ist, überlegst du nicht mehr lange, ob das Wasser vielleicht zu kalt ist. Viel wichtiger war, daß du genau zum richtigen Zeitpunkt das Richtige gemacht hast. Ohne dich wär ich wahrscheinlich abgesoffen, fragt sich nur, ob mit oder ohne Kugel im Kopf. Du hast mir das Leben gerettet. Bin ich froh, daß du nicht nur ein blöder Schürzenjäger bist.«
Philipp klapperte verlegen in der Kombüse herum. »Vielleicht erzählst du mir jetzt, was du bei den RCW verloren hattest.«
»Verloren nichts, aber gefunden einiges. Außer diesem ekelhaften nassen Lappen hab ich die Mordwaffe gefunden, wahrscheinlich auch den Mörder. Deswegen der nasse Lappen.« Über dem dampfenden Grog erzählte ich Philipp von dem Wellblech-Lieferwagen und seiner überraschenden Sonderausstattung.
»Aber wenn das so einfach war, deinen Mischkey von der Brücke zu jagen, warum dann die Verletzungen des Werkschutzveteranen?« fragte Philipp, als ich mit meinem Bericht fertig war.
»Du hättest Privatdetektiv werden
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