Selbs Justiz
einfachen Mitarbeiter nahegekommen, wie das heute gar nicht mehr geht.«
»Der hat Mischkey umgebracht. Und im Hangar habe ich dafür den Beweis gefunden, das Mordwerkzeug.«
»Der alte Schmalz? Der konnte keiner Fliege was zuleide tun. Was redest du dir ein, mein lieber Selb.«
Ohne Judith zu nennen und ohne auf Einzelheiten einzugehen, berichtete ich, was geschehen war. »Und wenn du mich fragst, was mich das alles angeht, dann erinnere dich an unser letztes Gespräch. Ich bitte dich, sanft mit Mischkey umzugehen, und wenig später ist er tot.«
»Und wo siehst du den Grund, das Motiv, für eine solche Tat des alten Schmalz?«
»Da können wir gleich noch drauf kommen. Zunächst wüßte ich gerne, ob du zum Ablauf noch Fragen hast.«
Korten stand auf und ging mit schweren Schritten auf und ab. »Warum hast du mich nicht gleich angerufen gestern morgen? Dann hätten wir in Schmalz’ Hangar vielleicht noch mehr zum Hergang finden können. Jetzt ist es zu spät. Es stand seit Wochen an – gestern wurde der Gebäudekomplex mit dem alten Hangar abgerissen. Das war auch der Grund, warum ich vor vier Wochen persönlich mit dem alten Schmalz geredet habe. Ich habe versucht, ihm bei einem Schnäpschen zu erklären, daß wir ihm den alten Hangar und auch die Werkswohnung leider nicht lassen können.«
»Du warst beim alten Schmalz?«
»Ich habe ihn kommen lassen. Natürlich läuft so eine Mitteilung normalerweise nicht über mich. Aber er erinnerte mich immer an die alten Zeiten. Du weißt doch, wie sentimental ich letztlich bin.«
»Und was ist aus den Lieferwagen geworden?«
»Keine Ahnung, da wird sich der Sohn drum gekümmert haben. Aber noch mal, wo siehst du ein Motiv?«
»Ich dachte eigentlich, das könntest du mir sagen.«
»Wie kommst du darauf?« Kortens Schritte verlangsamten sich, er blieb stehen, wandte sich mir zu und musterte mich.
»Daß der alte Schmalz persönlich keinen Grund hatte, Mischkey umzubringen, versteht sich. Aber das Werk hatte ja nun einigen Ärger mit ihm, hat ihn unter Druck gesetzt, ihr habt ihn sogar zusammenschlagen lassen; und er hat Gegendruck gemacht. Und immerhin konnte er euren Deal mit Gremlich hochgehen lassen. Du willst mir doch nicht sagen, daß du von all dem nichts gewußt hast?«
Nein, das wollte Korten nicht. Den Ärger hatte er schon mitbekommen, und den Deal mit Gremlich auch. Aber das alles sei doch nicht der Stoff, aus dem man Morde macht. »Es sei denn …«, er nahm die Brille ab, »es sei denn, ja, da hat der alte Schmalz etwas ganz falsch verstanden. Weißt du, das war so einer, der sich immer noch im Dienst glaubte, und wenn ihm sein Sohn oder ein anderer Werkschützer vom Trouble mit Mischkey erzählt hat, hat er womöglich gemeint, sich zum Retter des Werks aufschwingen zu müssen.«
»Was könnte der alte Schmalz denn da so folgenschwer mißverstanden haben?«
»Ich weiß nicht, was sein Sohn oder sonst jemand ihm erzählt haben mag. Oder ob jemand ihn regelrecht scharfgemacht hat? Der Sache werde ich auf den Grund gehen. Unerträglich zu denken, daß mein alter Schmalz am Ende auf diese Weise mißbraucht wurde. Und welche Tragik liegt in diesem Ende. Seine große Liebe zum Werk und ein dummes kleines Mißverständnis lassen ihn ohne Sinn und ohne Not Leben nehmen und auch das eigene Leben geben.«
»Was ist denn in dich gefahren? Leben geben, Leben nehmen, Tragik, Mißbrauch – ich denke, verwerflich ist gar nicht, Leute zu mißbrauchen, es ist nur taktlos, sie es merken zu lassen?«
»Du hast recht, laß uns wieder zur Sache kommen. Sollen wir die Polizei reinbringen?«
War das alles? Ein übereifriger Werkschutzveteran hatte Mischkey umgebracht, und das verdarb Korten noch nicht mal den Appetit aufs Frühstücksei. Ob ihn die Aussicht auf die Polizei im Werk erschrecken könnte? Ich versuchte es.
Korten erwog das Für und Wider. »Es geht mir nicht nur darum, daß es immer unangenehm ist, die Polizei im Werk zu haben. Mich dauert die Familie Schmalz. Mann und Vater verlieren und dann noch erfahren, daß er tödlich gefehlt hat – können wir das verantworten? Zu sühnen ist nichts mehr, Schmalz hat mit dem Leben bezahlt. Die Wiedergutmachung beschäftigt mich noch. Weißt du, ob Mischkey Eltern hatte, für die er gesorgt hat, oder sonstige Verpflichtungen, ob er einen ordentlichen Grabstein bekommen hat? Hinterläßt er jemand, dem man eine Freude machen kann? Wärst du bereit, dich darum zu kümmern?«
Ich nahm an, daß Judith sich eine
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