Selbs Justiz
zwei Lampen an einem Doppelstecker?«
Mischkey lachte. »So etwa könnte man sagen. Technisch ist es ein bißchen anders. Weil’s in den Werken nicht nur einen, sondern viele Sensoren gibt, faßt man die einzelnen Leitungen schon im Werk zusammen.
Von dieser Sammelstelle, wenn Sie so wollen, kommen die Daten über die Standleitung zu uns. Und das jewei-lige Werk bezieht wie wir die Daten aus der Sammelstelle.«
»Wie sicher ist das? Ich habe mir überlegt, daß die Industrie ein Interesse haben könnte, die Daten zu fälschen.«
Das fesselte Mischkeys Aufmerksamkeit, und er ließ den Apple Pie unangebissen wieder sinken. »Für einen Nichttechniker stellen Sie ganz pfiffige Fragen. Ich will auch gerne was dazu sagen. Aber ich finde, wir sollten nach diesem Apple Pie«, er schaute zärtlich auf das kränkelnde Backwerk, das ein synthetisches Zimtaroma verbreitete, »nicht hier bleiben, sondern das Mittagessen im Café an der Akademiestraße abschließen.« Ich griff nach der Zigarette und konnte mein Feuerzeug nicht finden. Mischkey konnte mir als Nichtraucher auch nicht helfen.
Den Weg zum Café nahmen wir durch das Kaufhaus 89
Horten; Mischkey kaufte sich das neue ›Penthouse‹.
Wir verloren uns im Gewühl kurz aus den Augen, fanden uns aber am Ausgang wieder.
Im Café bestellte sich Mischkey eine Schwarzwälder Kirschtorte, einen gemischten Obstkuchen und ein Schweinsohr zu seinem Kännchen Kaffee. Mit Sahne.
Offenbar war er ein schlechter Futterverwerter.
Schlanke, die so reinschichten können, machen mich neidisch.
»Wie wär’s jetzt mit einer pfiffigen Antwort auf meine pfiffige Frage?« nahm ich den Faden auf.
»Theoretisch gibt es zwei offene Flanken. Einmal kann man an den Sensoren rummachen, aber die sind so gut verplombt, daß das nicht unbemerkt bliebe. Die andere Einbruchstelle ist die Sammelstelle mit dem Anschluß der Werksleitung. Da haben sich die Politiker auf einen Kompromiß eingelassen, den ich für ganz faul halte. Denn letztlich kann man nicht ausschließen, daß von diesem Anschluß aus die Emissionsdaten gefälscht oder, noch schlimmer, die Programmstrukturen des Smogalarm-Systems manipuliert werden. Natürlich haben wir Sicherungen eingebaut, die wir ständig verfei-nern, aber Sie können sich das wie beim Wettrüsten vorstellen. Jedes Abwehrsystem kann durch ein neues Angriffssystem überlistet werden und umgekehrt. Eine unendliche und unendlich teure Spirale.«
Ich hatte die Zigarette im Mund und klopfte alle Taschen nach meinem Feuerzeug ab. Natürlich wieder vergebens. Da holte Mischkey aus der rechten Brustta-sche seiner feinen Nappalederjacke zwei in Pappe und 90
Plastik eingeschweißte Einwegfeuerzeuge, eines rosa, das andere schwarz. Mischkey brach die Packung auf.
»Darf’s das rosa sein, Herr Selk? Eine Aufmerksamkeit des Hauses Horten.« Er zwinkerte mir zu, schob das rosa über den Tisch und gab mir mit dem schwarzen Feuer.
> Ehemaliger Staatsanwalt hehlt Feuerzeuge. < Ich sah die Schlagzeile vor mir und spielte ein bißchen mit dem Feuerzeug herum, ehe ich es einsteckte und Mischkey dankte.
»Und wie ist es umgekehrt? Könnte man auch vom rrz aus in den Werkscomputer eindringen?«
»Wenn die Werksleitung in den Computer führt und nicht in eine davon isolierte Datenstation, dann … Aber eigentlich müßten Sie das jetzt selbst wissen, nach allem, was ich gesagt habe.«
»Also stehen Sie sich wirklich wie die beiden Super-mächte gegenüber, mit Angriffs- und Abwehrwaffen.«
Mischkey zupfte sich am Ohrläppchen. »Seien Sie vorsichtig mit Ihren Vergleichen, Herr Selk. Die Amerikaner, das kann in Ihrem Bild ja nur die kapitalistische Industrie sein. Dann bleibt für uns vom Staat die Rolle der Russen. Als Angehöriger des öffentlichen Dienstes«, er setzte sich auf, nahm die Schultern zurück und machte ein staatstragendes Gesicht, »muß ich diese im-pertinente Unterstellung mit aller Schärfe zurückwei-sen.« Er lachte, sank zusammen und aß sein Schweinsohr.
»Noch was«, sagte er. »Manchmal amüsiert mich der Gedanke, daß die Industrie, die diesen für uns so schäd-91
lichen Kompromiß erkämpft hat, sich dafür insofern selbst bestraft hat, als jetzt natürlich über unser Netz der eine Konkurrent das System des anderen manipulie-ren kann. Ist das nicht hübsch, das rrz als Drehscheibe der Industriespionage?« Er ließ die Kuchengabel auf dem Teller kreiseln. Als sie anhielt, zeigte die Spitze auf mich.
Ich unterdrückte einen Seufzer.
Weitere Kostenlose Bücher