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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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Frau waren das letzte, was ich mit oder ohne Fernglas anschauen wollte. »Wenn Sie nicht sofort aufhören, Sie Spanner, Sie, dann schlag ich Ihnen das Ding kaputt.«
    Es war absurd. Die Männer um mich herum wußten nicht, wo sie die Augen hinwenden sollten, sei’s, um alles, sei’s, um nichts zu sehen, und es ist wohl nicht zu altmodisch anzunehmen, daß die Frauen wußten, was sie taten. Und da war ich, den das alles nicht interessierte – nicht, daß es mich nicht hätte interessieren können, aber jetzt interessierte es mich wirklich nicht, jetzt hatte ich nur meinen Auftrag im Kopf. Und ausgerechnet ich wurde der Geilheit verdächtigt, angeklagt, überführt und schuldig gesprochen.
    Man kann solche Leute nur mit ihren eigenen Waffen schlagen. »Schämen Sie sich«, sagte ich, »bei Ihrer Figur sollten Sie wirklich ein Oberteil anziehen«, und steckte mein Fernglas in die Tasche. Außerdem stand ich auf und überragte ihn um Haupteslänge. Er ließ es bei miß-
    billigenden Mundbewegungen bewenden.
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    Ich sprang in den Weiher und schwamm hinüber
    zum anderen Bad. Dort ging ich gar nicht erst an Land; Frau Buchendorff und Mischkey hatten sich nahe am Wasser in die pralle Sonne gelegt. Mischkey war gerade dabei, eine Flasche Rotwein zu öffnen. Das gab mir, so dachte ich, jedenfalls eine Stunde Zeit. Ich schwamm zurück. Mein Kontrahent hatte ein Hawaiihemd angezogen, löste mit seiner Frau Kreuzworträtsel und ließ mich in Ruhe. Ich holte mir eine Bockwurst mit viel Senf und Pommes frites und las meine ›Süddeutsche‹.
    Eine Stunde später wartete ich mit meinem Auto wieder vor dem anderen Bad. Aber erst um sechs kamen die beiden durch das Drehkreuz. Mischkeys dünne Beinchen waren rot, Frau Buchendorff trug ihr schul-terlanges Haar offen und unterstrich ihre Bräune durch ein blaues Seidenkleid. Dann fuhren sie zu ihr in die Rathenaustraße. Als sie wieder rauskamen, hatte sie ei-ne kühn karierte, dreiviertellange Bundfaltenhose an und darüber einen schwarzen Lederstrickpulli, er kam mit einem hellen Leinenanzug. Sie gingen die paar Schritte zum Steigenberger Hotel in der Augusta-Anlage und dort in die Bar. Ich drückte mich in der Hotelhalle rum, bis ich sie mit ihren Gläsern von der Bar ins Restaurant gehen sah. Jetzt ging ich an die Bar und bestellte mir einen Aviateur. Der Barmann machte große Augen, ich erklärte ihm die Mischung, und er nickte beifällig. Wir kamen ins Gespräch.
    »Wir haben ein verdammtes Glück«, sagte er. »Eben kam ein Paar in die Bar, wollte im Restaurant essen. Da rutschte dem Mann eine Karte aus der Brieftasche und 99
    mir auf die Theke. Er hat sie zwar gleich wieder einge-steckt, aber ich habe doch gesehen, was drauf stand: Inspecteur de bonne table und dabei das Michelin-Männchen. Das war einer von denen, wissen Sie, die den Führer machen. Wir sind ein gutes Restaurant, aber ich habe trotzdem dem Maître de service gleich gesagt, was Sache ist, jetzt kriegen die beiden einen Service und ein Essen, wie sie es nicht vergessen werden.«
    »Und Sie kriegen endlich Ihren Stern oder wenigstens drei gekreuzte Gäbelchen und Löffelchen.«
    »Wollen wir hoffen.«
    Inspecteur de bonne table – Teufel auch. Ich glaube nicht, daß es echte Ausweise dieser Art gibt, war faszi-niert von Mischkeys Phantasie, und zugleich war mir nicht wohl angesichts dieser kleinen Hochstapelei. Auch der Zustand der deutschen Gastronomie machte mir Sorgen. Mußte man schon zu solchen Mitteln greifen, um einen anständigen Service zu bekommen?
    Ich konnte die Beschattung für heute getrost abbre-chen. Die beiden würden nach einem letzten Calvados zu Frau Buchendorff oder auch zu Mischkey nach Heidelberg gehen. Bei einem sonntagmorgendlichen Spaziergang zur Christuskirche würde ich schnell feststel-len können, ob beide Autos, kein Auto oder nur Frau Buchendorffs Auto vor dem Haus in der Rathenaustra-
    ße stünden.
    Ich ging nach Hause, fütterte den Kater mit Dosen-futter, mich mit Ravioli und ging zu Bett. Ich las noch ein bißchen im ›Grünen Heinrich‹ und wünschte mich vor dem Einschlafen an den Zürichsee.
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    Die Unsauberkeit der Welt
    Am Sonntag morgen holte ich mir Tee und Butterkekse ans Bett und dachte nach. Ich war sicher: Ich hatte meinen Mann. Mischkey entsprach in allem dem Bild, das ich mir vom Täter gemacht hatte, war Tüftler, Spieler und Schalk, und der hochstaplerische Zug rundete das Täterbild überzeugend ab. Als Mitarbeiter des rrz hatte er die Gelegenheit,

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