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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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Politik, mein nicht mehr fülliges Haar stets kurz zu tragen. Einmal mehr fragte ich mich, ob sich an meinem Haarbestand in meinem Alter noch etwas ändern würde oder ob der Haarausfall abgeschlossen war wie das Kinderkriegen bei einer Frau nach den Wechseljahren.
    »Den Bericht hättest du übrigens schon längst über dein Terminal abrufen können. Ich sitze gerade an der Auswertung der Verkehrszählung. Die muß heute noch raus. Ja, Herr Selk, und deswegen sieht es schlecht aus mit uns beiden. Oder laden Sie mich zum Mittagessen ein? Zu McDonald’s?«
    Wir verabredeten uns auf halb eins.
    Ich schlenderte durch die Hauptstraße, ein eindrucksvolles Zeugnis des kommunalpolitischen Zerstörungs-willens der siebziger Jahre. Es nieselte gerade nicht.
    Doch das Wetter konnte sich noch nicht entscheiden, was es am Wochenende bieten sollte. Ich nahm mir vor, Mischkey nach dem Meteorogramm zu fragen. Im
    Darmstädter-Hof-Zentrum fand ich einen Plattenladen.
    Manchmal entnehme ich dem Zeitgeist Proben, kaufe mir die repräsentative Platte oder das repräsentative Buch, gehe in ›Rambo II‹ oder sehe mir eine Wahldis-kussion zwischen Kohl, Rau, Strauß und Bangemann an. Madonna war gerade im Angebot. Das Mädchen an der Kasse sah mich an und fragte, ob sie die Platte als Geschenk einpacken sollte. »Nein, seh ich so aus?«
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    Ich trat aus dem ›Darmstädter Hof‹ und sah den Bismarckplatz vor mir. Ich hätte den alten Herrn auf seinem Sockel gerne besucht. Aber der Verkehr ließ mich nicht. Im Tabakladen am Eck kaufte ich eine Schachtel Sweet Afton, und dann war es auch schon Zeit.
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    Wie das Wettrüsten
    Bei McDonald’s war Hochbetrieb. Mischkey drängelte sich und mich gekonnt vor. Auf seine Empfehlung nahm ich für den kleinen Hunger einen Fishmac mit Mayonnaise, eine kleine Portion Pommes frites mit Ketchup und einen Kaffee.
    Mischkey, groß und schlank, bestellte einen Viertelpfünder mit Käse, eine große Portion Pommes frites, drei Ketchup-Portionspackungen, noch einen kleinen Hamburger »für den kleinen Hunger danach«, einen Apple Pie, dazu zwei Milchshakes und einen Kaffee.
    Für das volle Tablett bezahlte ich knapp 25 Mark.
    »Nicht teuer, oder? Für ein Mittagessen für zwei.
    Danke für die Einladung.«
    Wir fanden zunächst keine zwei Plätze an einem Tisch. Ich wollte einen Stuhl zu einem freien Platz da-zustehen, aber der Stuhl war festgeschraubt. Ich war verblüfft; weder als Staatsanwalt noch als Privatdetektiv war ich dem Delikt des Restaurantstuhldiebstahls begegnet. Schließlich installierten wir uns an einem Tisch mit zwei Schülern, die neidisch auf Mischkeys Menü schielten.
    »Herr Mischkey, die direkte Emissionsdatenerfas-87
    sung hat nach der Volkszählung zum ersten großen Rechtsstreit mit Informatikbezug geführt, dem ersten auch, der wieder vor das Bundesverfassungsgericht gekommen ist. Das Informatik-Spektrum möchte von mir einen juristischen Bericht, und juristischer Journalismus ist auch mein Gebiet. Aber ich merke, daß ich technisch noch mehr durchblicken muß, und dazu hätte ich gerne von Ihnen ein paar Auskünfte.«
    »Mhm.« Er mampfte zufrieden seinen Viertelpfünder.
    »In welchem Datenverbund stehen Sie denn mit den Industrieunternehmen, bei denen Sie die Emissionen überwachen?«
    Mischkey schluckte hinunter. »Dazu kann ich Ihnen tausend Sachen sagen, von der Übertragungstechnolo-gie von Bits, Bytes und Baud, von der Hardware, der Software pipapo. Was wollen Sie wissen?«
    »Vielleicht kann ich als Jurist die Fragen nicht hinrei-chend präzis stellen. Ich wüßte gerne, wie zum Beispiel ein Smogalarm ausgelöst wird.«
    Mischkey packte gerade den Hamburger für den
    kleinen Hunger danach aus und verteilte großzügig Ketchup darauf. »Das ist eigentlich banal. Dort, wo die relevanten Schadstoffe im Werk austreten, sind Sensoren angebracht, die uns über festinstallierte Leitungen rund um die Uhr den Schadstoffanfall melden. Wir pro-tokollieren die Werte, und gleichzeitig gehen sie in unser Meteorogramm ein. Das Meteorogramm ist das Ergebnis der Wetterdaten, die wir vom Deutschen Wet-terdienst kriegen. Wenn die Werte zu hoch sind oder das Wetter mit ihnen nicht mehr fertig wird, gibt’s bei 88
    uns im rrz einen Alarmton, und die Smogalarm-
    Maschinerie läuft an, was letzte Woche ganz ausgezeichnet geklappt hat.«
    »Man hat mir gesagt, daß die Werke dieselben Emissionsdaten bekommen wie Sie. Wie läuft das technisch?
    Hängen die auch an den Sensoren dran, wie

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