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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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»In gewisser Weise sogar überregional«, sagte Tietzke, »weil Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz dranhängen. Was haben Sie dort vor, Herr Selb?«
    »Können Sie es denn nie lassen, Herr Tietzke?« fragte ich zurück und versprach ihm die Rechte an meinen Memoiren.
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    Bam bam, ba bam bam
    Ich fuhr geradewegs nach Heidelberg. Einen Parkplatz ergatterte ich vor dem Juristischen Seminar. Ich ging die paar Schritte zum Ebert-Platz, dem früheren Wrede-Platz, und fand das Regionale Rechenzentrum in dem alten Bau mit den zwei Eingangssäulen, in dem einst die Deutsche Bank residiert hatte. In der ehemaligen Schal-terhalle saß der Pförtner.
    »Selk vom Springer-Verlag«, stellte ich mich vor. »Ich möchte gerne mit einem Ihrer Herren von der Emissionsüberwachung reden, das Verlagshaus hat mich angemeldet.«
    Er griff zum Telefon. »Herr Mischkey, hier ist jemand vom Springer-Verlag, der Sie sprechen möchte und sagt, daß er angemeldet ist. Soll ich ihn hochschicken?«
    Ich schaltete mich ein. »Kann ich selber mit Herrn Mischkey reden?« Und weil der Pförtner an einem Tisch saß, der nicht mit Glas abgeschirmt war, und weil ich schon danach gegriffen hatte, gab er mir verdutzt den Hörer.
    »Guten Tag, Herr Mischkey, hier Selk vom Springer-Verlag, dem mit dem Pferdchen, dem wissenschaftlichen, Sie wissen schon. Wir möchten in unserem In-82
    formatik-Spektrum einen Bericht über das hiesige Modell der direkten Emissionsdatenerfassung bringen, und nachdem ich mit der Industrie gesprochen habe, würde ich gerne die andere Seite kennenlernen. Können Sie mich empfangen?«
    Er hatte nicht viel Zeit, aber bat mich hoch. Sein Zimmer war im zweiten Stock, die Tür stand offen, der Blick ging auf den Platz. Mischkey saß mit dem Rücken zur Tür am Terminal, auf dem er konzentriert und mit großer Geschwindigkeit zweifingrig tippte. Über die Schulter rief er: »Kommen Sie nur rein, ich bin gleich fertig.«
    Ich sah mich um. Der Tisch und die Stühle lagen voll mit Computerausdrucken und Zeitschriften vom ›Computer-Magazin‹ bis zur amerikanischen Ausgabe des
    ›Penthouse‹. An der Wand war eine Tafel, auf der in verwischter Kreide ›Happy Birthday, Peter‹ stand.
    Daneben streckte mir Einstein die Zunge raus, an der anderen Wand hingen Filmplakate und ein Szenenpho-to, das ich keinem Film zuordnen konnte. Ich trat nä-
    her, um es mir genauer anzusehen. »Madonna«, sagte er, ohne aufzublicken.
    »Madonna?«
    Jetzt sah er hoch. Ein ausgeprägtes, knochiges Gesicht mit tiefen Querfalten auf der Stirn, einem kleinen Schnauz, einem eigensinnigen Kinn und einem wirren, vollen und schon ergrauenden Haarschopf darüber. Seine Augen blitzten mich vergnügt durch eine Brille von ausgesuchter Häßlichkeit an. Waren die Kassenarztbril-len der frühen Fünfziger wieder in Mode? Er hatte 83
    Jeans an und einen dunkelblauen Pullover, kein Hemd.
    »Will sie Ihnen aus meiner Filmdatei gerne auf den Bildschirm holen.« Er winkte mich zu sich, tippte einige Befehle ein, und der Bildschirm beschrieb sich blitzschnell. »Und kennen Sie das, daß man nach einer Me-lodie sucht, die einem nicht einfällt? Problem jedes Schlagerfans und Filmfreaks? Habe ich auch gelöst mit meiner Datei. Mögen Sie die Musik Ihres Lieblingsfilms hören?«
    »Barry Lyndon«, sagte ich, und sekundenschnell er-klang piepsig, aber unverkennbar der Anfang der Sara-bande von Händel, bam bam, ba bam bam. »Das ist ja doll«, sagte ich.
    »Was führt Sie her, Herr Selk? Sie sehen, ich bin im Moment sehr beschäftigt und habe kaum Zeit. Um die Emissionsdaten geht’s?«
    »Genau, um die oder vielmehr um einen Bericht über sie in unserem Informatik-Spektrum.«
    Ein Kollege kam ins Zimmer. »Spielst du wieder mit deinen Dateien rum? Bleibt der Meldedatenabgleich für die Kirchen an mir hängen – ich muß dir sagen, daß ich das höchst unkollegial finde.«
    »Darf ich Ihnen meinen Kollegen Gremlich vorstellen? Er heißt wirklich so, aber mit e. – Jörg, das ist Herr Selk vom Informatik-Spektrum. Er möchte über das Betriebsklima im rrz berichten. Mach weiter, du bist gerade authentisch.«
    »Also Peter, also wirklich …« Gremlich blies die Backen auf. Ich schätzte beide auf Mitte Dreißig, aber der eine wirkte wie ein reifer Fünfundzwanziger und 84
    der andere wie ein schlecht gealterter Fünfziger. Gremlichs Grämlichkeit wurde durch den Safarianzug und das lange, sich lichtende Haar nur unterstrichen. Ich fühlte mich bestätigt in meiner

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