Selbstheilung - gesund aus eigener Kraft
Dreijährige plötzlich den Penis ihres Onkels in den Mund geschoben bekommt. Leider ist so etwas keine Ausnahme. Sexueller Missbrauch an Kindern in Familien und Erziehungseinrichtungen ist so stark verbreitet, dass die Bundesregierung dafür extra eine Untersuchungskommission eingesetzt hat.
Das ist nur ein, leider eben nicht seltenes Beispiel, bei dem man Mut braucht, um sich das gesamte Schmerzbild bewusst zu machen. In solchen schweren Fällen kann, darf oder sogar muss die Umschreibung schon parallel zur Rekonstruktion des Verbrechens geschehen, weil man es sonst vielleicht nicht schaffen würde, die ganze Wahrheit auf den Tisch zu bringen.
Man kann sich dafür geistige Helfer mit in seinen Rekonstruktionsfilm nehmen, auch wenn man in Wirklichkeit bei dieser Szene mutterseelenallein war und es bis heute noch nie jemandem erzählt hat, unter Umständen sogar sich selbst bisher nie eingestehen wollte, obwohl es immer einen schlummernden Verdacht gab. Plötzlich werden einem aber ganz viele Indikatoren bewusst, die zeigen, weshalb man eigentlich doch wusste, dass damals etwas sehr Verletzendes passiert ist. Warum hatte man sich bei der Beerdigung vom Onkel so gefreut, dass er endlich tot ist? Bisher hatte man sich vielleicht nur gewundert oder hatte Schuldgefühle, dass man so herzlos sein konnte. Jetzt hebt sich der Schleier der Verdrängung, und man kann in die Rekonstruktion schon Elemente der Rettung mit einbauen. Auch hier schreibt man im Präsens alles so weit auf, bis man an den Punkt kommt, an dem es einem absolut zu viel wird. Einen solchen Punkt gibt es in jedem Schmerzbild, auch in Ihrem. Er kann ganz unspektakulär erscheinen, trifft Sie subjektiv aber ganz tief.
Die neue Wirklichkeit will errungen sein
An einem solchen Punkt fragen Sie sich: âWas braucht meine Seele jetzt? Genau jetzt? Wonach ist mir? Wenn ich jetzt das mache, was meine Seele sich zu ihrer Rettung wünscht, dann ist das Folgendesââ¦â Und genau das machen Sie jetzt auch. Sie erlauben sich, das zu sagen (und aufzuschreiben), was Sie wahrscheinlich in der Realität niemals gesagt haben. Sie erlauben sich zu schreien, zu kratzen und zu beiÃen. Sie rennen und schlagen um sich. Sie schreien nach Hilfe, bis die Nachbarn kommen. Für Ihre Imagination gibt es kein âgeht nichtâ. Sie treiben die Szene so weit, bis Ihr Peiniger zurückschreckt, und genau diese Schrecksekunde nutzen Sie, um sich aus der Hilflosigkeit zu befreien.
Sie bringen das alles zu Papier, damit Ihre neue Wirklichkeit in den geschriebenen Worten ihre erste Manifestation, also Verwirklichung erfährt. Sie schreiben ein Szenario nieder, in dem Sie nichts mehr für sich behalten, sondern der ganzen Verwandtschaft, sogar den Nachbarn und der Polizei, und wenn das nicht reicht, der Presse erzählen, welch brutales Schwein Ihr Peiniger ist, sodass es morgen alle wissen und er sich zu Tode schämen muss. Das läutert ihn, wenn alle auf ihn zeigen und er als â beispielsweise â Kinderschänder entlarvt ist. Auch wenn es Ihr Onkel oder Ihr Vater war, der Sie sexuell missbraucht hat, jetzt ist die Stunde der Abrechnung gekommen. Er muss sich in Grund und Boden schämen. Sie fühlen sich nicht mehr schuldig, Sie beteiligen sich mit keinem Wort mehr an der Vertuschung. Sie nennen seine Verbrechen exakt beim Namen und sagen nicht mehr nur: âEr macht so schlimme Sachen mit mir.â Das wäre keine Aufdeckung.
Sie brauchen den Mut, seine Handlungen und die dabei von ihm benutzten Worte exakt aufs Papier zu bringen. Wenn Sie das nicht aushalten, dann nehmen Sie jemanden in Ihre Umschreibung hinein, der Ihnen Mut macht. Mut zur Wut â oder mit der Wut zum Mut. Erst wenn Ihr Peiniger durch eine solche BloÃstellung zur Besinnung kommt, kann die Aussöhnung mit ihm erfolgen. Dafür muss er aber ein geläuterter, reuiger, einsichtiger, liebevoller Mensch geworden sein. Dann können Sie ihn auch in die Arme nehmen. Erst wenn es nach der notwendigen heftigen Abrechnung so weit gekommen ist, dass Liebe auf menschlichem Niveau einkehrt, ist die Umschreibung fertig. Dann wird gelacht.
Ist es schon ausreichend?
Zur Ãberprüfung stellen Sie sich vor, Sie würden Ihrem Peiniger nach Jahr und Tag in einer dunklen Gasse begegnen.
Welche Gefühle haben Sie jetzt zu ihm nach Ihrer Umschreibung? Wenn da noch die leiseste Spur einer Angst auftaucht, ist die Umschreibung noch
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