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ich.
»Doch«, raunte sie zurück. »Aber es ist unfein, das zuzugeben!« Sie zwinkerte mir zu, und ich kicherte.
Ein Fehler. Silvia, die gerade hereinkam, blickte mich mahnend an. »Tztz. Eine Dame spricht immer nur in gedämpftem Tonfall.«
Es wurde still im Raum. Ich fragte mich, ob diese Szene von den Kameras festgehalten worden war, und merkte, wie ich rot anlief.
»Noch einmal Guten Morgen, meine Damen. Ich hoffe, Sie haben alle gut geruht im Palast, denn nun beginnt unser Arbeitstag. Heute werde ich mit Ihrer Schulung in Verhalten und Etikette beginnen, die während Ihres gesamten Aufenthalts fortgesetzt wird. Sie sollten wissen, dass ich die Königsfamilie über jeden Fauxpas Ihrerseits informieren werde.
Das klingt hart, aber wir haben es hier nicht mit einem Spiel zu tun. Eine von Ihnen wird die nächste Prinzessin von Illeá werden. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Sie müssen danach streben, sich stetig zu verfeinern. Sie werden hier im Palast zu formvollendeten Damen ausgebildet. Und wir wollen gleich heute Morgen damit beginnen.
Tischmanieren sind ungemein wichtig, und bevor Sie mit der Königsfamilie gemeinsam speisen, müssen Sie die Benimmregeln kennen. Je schneller wir diese kleine Lektion beenden, desto eher werden Sie Ihr Frühstück bekommen. Also seien Sie jetzt bitte aufmerksam.«
Sie erklärte, dass man uns immer von rechts bedienen würde, welches Glas man für welches Getränk benutzte, und wies uns an, Gebäck niemals mit der Hand auf den Teller zu legen, sondern immer mit einer Zange. Wenn man keinen Gebrauch von den Händen machte, hatten sie auf der Serviette im Schoß zu ruhen. Mit der Königsfamilie durften wir nur reden, wenn wir angesprochen wurden. Es war erlaubt, mit unseren Tischnachbarinnen zu reden, aber nur in gedämpfter Lautstärke. Als Silvia das erwähnte, warf sie mir einen strengen Blick zu.
Sie sprach noch endlos weiter, was meinem Magen gar nicht gut bekam. Meine Mahlzeiten zu Hause waren nicht üppig gewesen, hatten aber wenigstens immer regelmäßig stattgefunden. Ich hatte mittlerweile furchtbaren Hunger und war schon ziemlich übellaunig, als es an der Tür klopfte. Die beiden Wachen traten beiseite, und herein kam Prinz Maxon.
»Guten Morgen, die Damen«, rief er.
Die Stimmung im Raum schlug schlagartig um. Die Mädchen richteten sich auf, strichen sich durchs Haar, zupften die Kleider zurecht. Mein Blick ruhte nicht auf Maxon, sondern auf Ashley, deren Atem schneller ging. Sie starrte den Prinzen so aufgeregt an, dass es mir fast peinlich war, sie dabei zu beobachten.
»Eure Majestät«, sagte Silvia mit einem Knicks.
»Hallo, Silvia. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mich den jungen Damen gerne vorstellen.«
»Gewiss doch.« Silvia machte einen weiteren Knicks.
Prinz Maxon ließ den Blick durch den Raum schweifen. Als er mich entdeckte, lächelte er. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte erwartet, dass er mich womöglich vor allen anderen für mein Verhalten von gestern Nacht tadeln würde. Aber vielleicht war er im Nachhinein ja gar nicht verärgert, sondern hatte sogar seinen Spaß gehabt an der Situation. Sein Leben musste ziemlich langweilig sein. Jedenfalls hatte ich nach diesem Lächeln plötzlich das Gefühl, dass mein Aufenthalt hier vielleicht doch nicht so schrecklich werden würde. Und nahm mir vor, mich bei Maxon für mein Benehmen zu entschuldigen.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, werte Damen, würde ich Sie gerne nacheinander zu einem kurzen Gespräch mit mir bitten. Sie wollen sicher bald frühstücken, wie ich übrigens auch, und ich werde mich bemühen, Ihre Zeit nicht lange in Anspruch zu nehmen. Verzeihen Sie mir bitte, wenn ich mir Ihre Namen noch nicht alle merken konnte – Sie sind reich an der Zahl.«
Unterdrücktes Kichern war zu vernehmen. Maxon trat zu einem Mädchen ganz vorne und geleitete es zu der Sitzecke. Die beiden sprachen ein paar Minuten, standen dann auf. Er verbeugte sich vor ihr, sie knickste. Dann sagte sie etwas zu dem Mädchen neben ihr, und die Szene wiederholte sich. Die Unterredungen waren kurz, und beide sprachen mit gedämpfter Stimme. Der Prinz versuchte sich in weniger als fünf Minuten von jedem Mädchen einen Eindruck zu verschaffen.
Marlee drehte sich zu mir um. »Was er wohl fragt?«, flüsterte sie.
»Vielleicht will er wissen, welche Schauspieler man am tollsten findet. Bereitet euch gut vor«, raunte ich zurück, und Marlee und Ashley kicherten leise.
Wir waren nicht
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