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Essen vermutlich ein guter Grund zum Hierbleiben.« Er grinste. »Tut mir leid, ich kann Ihren Namen nicht lesen, es ist zu dunkel.«
»Ich bin America.«
»Prima.« Maxon starrte in die Dunkelheit und lächelte vor sich hin. Irgendwie schien ihn die Situation zu amüsieren. »America, meine Liebe, ich hoffe, Sie finden in diesem Käfig etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Nach diesem Erlebnis kann ich nur erahnen, welche Kräfte dann am Wirken wären.«
Er stand auf und ging neben mir in die Hocke. Irgendwie war er mir zu nah – ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Vielleicht vernebelte mir die warme Nachtluft den Kopf, oder ich war zu geschwächt von meinem Zusammenbruch. Jedenfalls war ich zu verdattert, um zu protestieren, als er meine Hand nahm.
»Wenn es Sie glücklich macht, kann ich den Bediensteten sagen, dass Sie häufig im Garten sein möchten. Dann dürfen Sie nachts hinausgehen und werden nicht mehr von den Wachen aufgehalten. Es wäre mir allerdings lieb, wenn ein Wachmann in Ihrer Nähe bleiben könnte.«
Das klang verlockend und himmlisch, aber ich wollte, dass er sich keinerlei Illusionen über meine Gefühle machte.
»Ich … ich möchte nichts von Ihnen annehmen.« Ich zog meine Hand weg.
Er sah verletzt aus. »Ganz wie Sie wünschen.« Jetzt fühlte ich mich schlecht. Nur weil ich Maxon nicht mochte, musste ich ihm ja nicht wehtun. »Werden Sie bald wieder hineingehen?«, fragte er.
»Ja«, murmelte ich und schaute zu Boden.
»Dann überlasse ich Sie nun Ihren Gedanken. Neben der Tür wartet ein Wachmann auf Sie.«
»Danke, äm, Eure Majestät.« Ich schüttelte den Kopf. Wie oft hatte ich während unserer Unterhaltung die falsche Anrede benutzt?
»Liebe America, würden Sie mir einen Gefallen erweisen?« Er nahm wieder meine Hand. Der Mann wusste wirklich, was er wollte.
Ich blinzelte unsicher. »Vielleicht.«
Maxon lächelte. »Bitte erwähnen Sie unsere Begegnung nicht gegenüber den anderen Teilnehmerinnen – offiziell darf ich Sie nämlich alle erst morgen kennenlernen, und ich möchte nichts durcheinanderbringen. Obwohl man ja kaum von einem romantischen Stelldichein sprechen kann, wenn man angeschrien wird, nicht wahr?«
Nun musste auch ich lächeln. »Ganz bestimmt nicht!« Ich holte tief Luft. »Ich sag nichts. Versprochen.«
»Vielen Dank.« Er gab mir einen Handkuss. Als ich leicht zurückwich, legte der Prinz meine Hand behutsam auf meinen Schoß. »Gute Nacht.«
Ich blickte einen Moment verblüfft auf meine Hand. Dann sah ich Maxon nach. Nun hatte ich tatsächlich die Ruhe, nach der ich mich den ganzen Tag gesehnt hatte.
11
Am nächsten Morgen wurde ich nicht einmal wach, als die Zofen hereinkamen und mein Bad einließen. Ich schlug erst die Augen auf, als Anne die schweren Gardinen beiseite zog. Dabei summte sie leise vor sich hin.
Ich konnte mich nicht rühren. Nachdem mir gestern Nacht bewusst geworden war, was diese Begegnung im Garten für mich bedeutete, hatte ich lange gebraucht, um innerlich zur Ruhe zu kommen. Wenn sich die Gelegenheit ergab, würde ich mich bei Maxon entschuldigen. Falls er mich nach diesem Vorfall nicht ohnehin nach Hause schickte.
»Miss? Sind Sie wach?«
»Neeeiiin«, stöhnte ich in mein Kissen. Ich hatte viel zu wenig geschlafen, und das Bett war so behaglich. Aber als die drei Zofen über mich lachten, musste ich grinsen und setzte mich in Bewegung.
Von allen Leuten im Palast würde ich mit diesen Mädchen wohl am besten zurechtkommen. Ich fragte mich, ob sie Vertraute von mir werden durften oder ob ihnen die Regeln untersagten, auch nur eine Tasse Tee mit mir zu trinken. Ich war jetzt in den Rang einer Drei erhoben, und als Bedienstete mussten die Zofen Sechser sein. Doch das war mir einerlei. In Gesellschaft von Sechsern fühlte ich mich immer wohl.
Ich tappte in das gigantische Badezimmer, in dem jeder Laut von den Kachelwänden widerhallte. In den ausladenden Spiegeln sah ich, wie zuerst Lucy, dann Anne und Mary die Schmutzflecken auf meinem Nachthemd beäugten. Zum Glück stellte keine von ihnen Fragen. Gestern hatte ich den Eindruck gehabt, von ihnen ausgehorcht zu werden, aber offenbar waren sie nur um mein Wohl besorgt gewesen. Sie würden sicher nicht von mir wissen wollen, was ich außerhalb meines Zimmers tat – geschweige denn außerhalb des Palastes.
Sie entkleideten mich nur achtsam und begleiteten mich zur Badewanne.
Ich war es nicht gewohnt, in Anwesenheit von Fremden nackt zu sein – nicht einmal
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