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er so muskulös? Er arbeitet doch nur am Schreibtisch.«
»Vielleicht macht er Bizepsübungen vor dem Spiegel«, schlug Marlee vor und beugte mit komischer Grimasse ihre zarten Arme.
»Hihi! Das wird’s sein. Aber weißt du was? Frag ihn doch einfach!«
»Kannst du vergessen.«
Es hörte sich an, als hätte Marlee sich wirklich wohlgefühlt mit Maxon. Ich fragte mich, wieso er mir gestern Abend nichts davon erzählt hatte. Vielleicht war er schüchtern?
Ich schaute mich um und stellte fest, dass gut die Hälfte der Mädchen angespannt oder unzufrieden wirkte. Kriss erzählte etwas, und Janelle, Emmica und Zoe hörten aufmerksam zu. Dabei wirkte Kriss fröhlich, aber Janelle sah besorgt aus, Zoe kaute an ihren Nägeln, und Emmica massierte einen Punkt unter ihrem Ohr, als habe sie irgendwelche Schmerzen. Neben ihnen saßen Celeste und Anna, die etwas zu diskutieren schienen. Wie immer sah Celeste dabei ungemein selbstgefällig aus. Marlee bemerkte meinen Blick und lieferte eine Erklärung.
»Diejenigen, die so schlecht gelaunt wirken, hat Maxon noch nicht alleine getroffen. Er hat mir gesagt, dass ich am Donnerstag seine zweite Verabredung war. Er scheint das mit den Verabredungen wirklich ernst zu nehmen – und jede Kandidatin alleine treffen zu wollen.«
»Im Ernst? Du glaubst, das ist der Grund?«
»Ja. Ich meine, schau uns doch an. Wir sind gut drauf, weil wir ihn schon getroffen haben. Wir wissen, dass er uns mag, weil er uns nach unserer Begegnung mit ihm noch nicht vor die Tür gesetzt hat. Es spricht sich allmählich herum, mit wem er sich schon verabredet hat und mit wem nicht. Und die Übriggebliebenen fürchten jetzt, dass er kein Interesse an ihnen hat und sie heimschicken wird.«
Wieso hatte Maxon mir von alldem nichts erzählt? Wir waren doch Freunde! Und als Freund würde man über so etwas sprechen. Der Miene der anwesenden Mädchen nach zu schließen, hatte Maxon bereits nahezu die Hälfte von ihnen um ein Rendezvous gebeten. Wir waren gestern Abend mehrere Stunden zusammen gewesen, und er hatte mich lediglich zum Weinen gebracht. Was war das für ein Freund, der mit seinen eigenen Geheimnissen hinter dem Berg hielt, aber andere dazu brachte, sich zu offenbaren?
Tuesday, die mit ängstlicher Miene Camille gelauscht hatte, stand nun auf und sah sich um. Als sie Marlee und mich entdeckte, kam sie anmarschiert.
»Was ist bei eurem Treffen mit dem Prinzen passiert?«, fragte sie unumwunden.
»Hallo, Tuesday«, erwiderte Marlee fröhlich.
»Ach, hör doch auf«, knurrte Tuesday und wandte sich zu mir. »Los, America, spuck’s aus.«
»Ich hab es doch schon erzählt.«
»Nein. Ich meine das Treffen gestern Abend!« Ein Dienstmädchen kam zu uns, um Tee anzubieten, den ich gerne genommen hätte, aber Tuesday scheuchte sie weg.
»Wie?…?«, fragte ich.
»Tiny hat euch beide zusammen gesehen und es den anderen erzählt«, klärte Marlee mich auf. »Du bist die Einzige, die zweimal mit ihm alleine war. Und nun beklagen sich natürlich diejenigen Mädchen, die er bisher noch gar nicht getroffen hat. Sie finden das ungerecht. Aber du kannst ja nichts dafür, dass er dich mag.«
»Das ist total unfair!«, jammerte Tuesday. »Ich hab ihn bisher überhaupt nur beim Essen gesehen und bin noch nie auch nur in seine Nähe gekommen. Nicht mal irgendwo im Vorbeigehen. Was zum Teufel habt ihr zusammen gemacht?«
»Wir … ähem … waren im Garten«, antwortete ich. »Er weiß, dass ich gerne draußen bin. Und dann haben wir … wir haben bloß geredet.« Ich war nervös, fühlte mich angegriffen. Tuesday starrte mich so aufgebracht an, dass ich den Blick abwandte. Dabei bemerkte ich, dass einige Mädchen in der Nähe die Ohren spitzten.
»Ihr habt wirklich nur geredet?«, fragte Tuesday misstrauisch.
Ich zuckte die Achseln. »Ja.«
Mit finsterer Miene ging Tuesday an Kriss’ Tisch zurück und forderte sie barsch auf, ihre Geschichte noch einmal zu erzählen.
Ich sah ihr ziemlich verstört nach.
»Alles okay, America?«, fragte Marlee und riss mich aus meiner Erstarrung.
»Ja. Wieso?«
»Du siehst ziemlich fertig aus.« Marlee blickte mich besorgt an.
»Nein, nein. Alles bestens.«
Es ging so schnell, dass ich die Bewegung vermutlich nicht gesehen hätte, wäre ich nicht in der Nähe gewesen. Anna Farmer – eine Vier, die Landarbeiterin war – hob die Hand und schlug Celeste ins Gesicht.
Erschrockenes Keuchen war zu vernehmen. Wer die Szene nicht mitbekommen hatte, drehte sich um und
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