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Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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ist doch gestern schon stundenlang verhört worden«, sagte er. »Muß die Sache denn wirklich noch einmal durchgegangen werden?«
    »Ja, leider. Die Anklage an sich reicht noch nicht.« Sie zögerte kurz. »Wir können bis morgen warten, aber …« Sie zupfte sich an den Haaren. »Aber für uns eilt die Sache, wißt ihr. Bei Ermittlungen dieser Art müssen wir schnell vorgehen.«
    »Ist schon gut.«
    Diesmal hatte die Frau geantwortet. Sie richtete sich ein wenig auf und wappnete sich für eine weitere Rekapitulation des Samstag abends.
    »Ist schon gut«, wiederholte sie, diesmal an ihren Vater gewandt.
    Jetzt tröstete die Hand der Tochter die des Vaters.
    Der ist wirklich noch schlimmer dran, dachte die Polizistin und begann mit dem Verhör.
    »Essen, Håkon?«
    »Nein, ich hab’ schon gegessen.«
    Hanne Wilhelmsen schaute auf die Uhr. »Schon? Aber es ist doch erst elf!«
    »Ja, aber ich komm’ auf einen Kaffee mit. Um dir Gesellschaft zu leisten. Kantine oder Büro?«
    »Büro.«
    Es fiel ihm auf, sowie er ihr Büro betrat. Sie hatte neue Vorhänge. Und zwar keine besonders polizeimäßigen.
    Mittelblau mit Wiesenblumen.
    »Die sind aber schön! Wo hast du die denn her?«
    Sie gab keine Antwort, sondern nahm eine sorgfältig zusammengelegte Stoffbahn aus dem Schrank.
    »Für dich habe ich auch welche genäht.«
    Das verschlug ihm die Sprache.
    »Die haben nur sieben Kronen den Meter gekostet. Bei IKEA . Sieben Kronen den Meter! Sie sind gemütlicher und vor allem viel sauberer als diese staatseigenen Fetzen.«
    Sie zeigte auf schmutziggrauen Stoff, den sie in den Papierkorb gestopft hatte. Der alte Vorhang sah aus, als hätten ihre Worte ihn zutiefst beleidigt.
    »Tausend Dank!«
    Håkon Sand nahm begeistert seine Stoffbahn in Empfang und kippte sofort seinen Kaffee um. Eine große braune Blüte machte sich zwischen den rosa und roten Blümchen breit. Mit fast lautlosem, resigniertem Seufzen nahm seine Kollegin die Vorhänge wieder an sich.
    »Ich kann sie waschen.«
    »Nein, um Himmels willen, das mache ich schon selbst.«
    Im Büro lag ein heftiger Parfümgeruch. Fremd und ein wenig zu heftig. Die Erklärung steckte in einem dünnen grünen Umschlag, der zwischen ihnen auf dem Schreibtisch lag. »Das ist übrigens unser Fall«, sagte sie, nachdem sie weiteren Kaffeeschäden vorgebeugt hatte. Sie reichte ihm die Papiere.
    »Vergewaltigung. Verdammt übel.«
    »Alle Vergewaltigungen sind übel«, murmelte Håkon Sand. Nachdem er einige Minuten gelesen hatte, war er noch immer dieser Meinung. Verdammt übel.
    »Was macht sie für einen Eindruck?«
    »Völlig in Ordnung. Nett. In jeder Hinsicht anständig. Medizinstudentin. Intelligent. Erfolgreich. Und arg vergewaltigt.« Sie schüttelte sich. »Sie sitzen da, verängstigt und hilflos, starren den Boden an und verkrampfen die Hände, als ob alles ihre Schuld sei. Und ich bin völlig verzweifelt. Fühle mich manchmal noch hilfloser als sie. Glaube ich.«
    »Was glaubst du wohl, wie mir zumute ist«, erwiderte Håkon Sand. »Du bist immerhin eine Frau. Es ist nicht deine Schuld, daß Männer vergewaltigen.«
    Er knallte die beiden Verhörprotokolle auf den Tisch.
    »Deine Schuld ist es ja wohl auch nicht so ganz«, lächelte seine Kollegin.
    »Nein … aber ich fühle mich ziemlich mies, wenn ich ihnen gegenübersitze. Arme Mädels. Aber …« Er hob die Arme über den Kopf, gähnte und trank seinen verbliebenen Kaffee. »Aber in der Regel brauche ich nicht mit ihnen zu sprechen. Die Staatsanwälte kümmern sich darum. Zum Glück. Für mich sind diese Frauen nur Namen auf einem Stück Papier. Hast du übrigens dein Motorrad schon in Gebrauch genommen?«
    Hanne Wilhelmsen lächelte breit und stand auf.
    »Komm her!« Sie winkte ihm und trat ans Fenster. »Da! Das rosafarbene!«
    »Du hast ein hellrotes Motorrad?«
    »Das ist nicht hellrot«, sagte sie äußerst pikiert. »Das ist rosa. Oder pink. Aber keinesfalls hellrot.«
    Håkon Sand grinste und versetzte ihr einen Rippenstoß.
    »Hellrote Harley Davidson. So was Bescheuertes hab’ ich noch nie gesehen.« Er musterte sie von Kopf bis Fuß. »Andererseits: Du bist sowieso zu hübsch zum Motorradfahren. Dann muß ja wenigstens deine Mühle hellrot sein.«
    Zum allererstenmal in den vier Jahren ihrer Bekanntschaft sah er Hanne Wilhelmsen rot werden. Er zeigte triumphierend auf ihr Gesicht.
    »Hellrot!«
    Die Limoflasche traf ihn mitten auf der Brust. Zum Glück war es eine Plastikflasche.
    Um nichts in der

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