Selina - Liebesnaechte in Florenz
Gelassenheit, die einer Heiligen alle Ehre gemacht hätte. Sie besuchte zwar immer wieder Freundinnen oder Familienmitglieder, die meiste Zeit jedoch verbrachte sie im Haus. Es würde ihr gut tun, dem Alten einmal für einige Stunden zu entgehen.
Alessandros Mutter war in ihrer Liebenswürdigkeit sogar so weit gegangen, Pferde und Sänften zu schicken, die die drei jungen Frauen in ihre Villa bringen sollten, und Selina bemerkte mit freudiger Überraschung, dass Alessandros Diener mit dem schönen Grauen wartete, den sie schon auf ihrem Ausritt nach San Miniato geritten hatte. Sie hastete hoch in ihr Schlafzimmer, zog sich ein anderes Kleid an und flog dann wieder förmlich die Treppe hinunter, wo Luciano ihr lächelnd in den Sattel half. „Signor Barenza hat gemeint, die Signorina würde es wohl vorziehen zu reiten“, erklärte er ihr, als er ihr den Zügel in die Hand drückte und dann selbst auf ein Pferd sprang.
Selina genoss den Ritt, freute sich auf den Tag, der vor ihr lag, und noch mehr darauf, Alessandro wieder zu sehen, der zweifellos ebenfalls anwesend sein würde. Zu ihrer Enttäuschung wurden sie dann jedoch nur von Domenica di Barenza empfangen, einer sehr würdevollen, weißhaarigen aber doch jugendlichen Frau, die sie an der Tür herzlich willkommen hieß. Sie war nicht alleine, zwei Cousinen waren ebenfalls anwesend und auch ein junger Vetter von Alessandro, der sich auf den ersten Blick in Francoise zu verlieben schien und ihr stürmisch den Hof machte.
Obwohl Alessandros Mutter alle ihre Gäste gleichermaßen zuvorkommend und liebenswürdig behandelte, schien sie doch besonderen Gefallen an Selina zu finden, und diese saß bald schon neben ihr. Sie unterhielt sich angeregt, sprach über die Bücher, die sie gelesen hatte, Übersetzungen, die die Mönche in ihren Klöstern machten und welch ein Glücksfall es doch wäre, dass Latein in fast allen Ländern gesprochen wurde und Reisende sich auf diese Art zumindest bei den gebildeteren Schichten verständlich machen konnten. Sie mochte Alessandros Mutter, eine sehr belesene und noble Frau, die ihr Respekt und Zuneigung einflösste, und genoss das Zusammensein. Aber dennoch war sie enttäuscht als der Tag verging und nichts von Alessandro zu sehen war. Dafür kam sein Freund Francesco, unter dessen scharfem Blick Francoises Verehrer sofort das Weite suchte und sich an Fiorina hielt, die die ungewohnte Aufmerksamkeit mit würdevoller Heiterkeit belohnte.
Selina sah erstaunt hoch, als Francesco plötzlich seinen Platz neben Francoise aufgab und zu ihr herüber kam. „Darf ich wohl einen Moment um Eure Aufmerksamkeit bitten, madonna ?“
„Gewiss.“ Sie sah ihn erwartungsvoll an.
„Alessandro hat mir aufgetragen, Euch von den bemerkenswerten Pferden zu erzählen, die donna Domenica in ihren Ställen hält. Eure Freundin hat den Wunsch verspürt sich die Tiere anzusehen, aber es wäre nicht schicklich, wenn ich mit ihr alleine hinausginge. Daher ersuche ich Euch, uns zu begleiten.“
Selina hatte im Moment nicht das geringste Interesse an den Pferden, aber sie nickte höflich, entschuldigte sich bei Alessandros Mutter und begleitete Francesco und Francoise hinaus. Er führte sie um das Haus herum zu den prachtvollen Ställen, denen man es ansah, dass sie dereinst einem wohlhabenden Mann gehört hatten. Dort verneigte er sich zu Selinas Überraschung, ergriff Francoises Hand, die tief errötete, und zog sie mit sich in die andere Richtung, zum Garten hin. Selina blieb verblüfft zurück und stand unschlüssig da, bis sie hinter sich eine Bewegung spürte. Sie wandte sich um und blickte geradewegs in Alessandros dunkle Augen.
Ihr verärgerter Ausdruck wich sofort einem strahlenden Lächeln und sie streckte beide Arme nach ihm aus. „Endlich! Ich hatte so sehr gehofft, dich hier zu sehen und war unendlich enttäuscht, als du fernbliebst!“
Statt einer Antwort nahm er ihren Kopf in beide Hände und küsste sie. Als er sie wieder losließ waren sie beide etwas atemlos und Selina hielt sich an seiner Jacke fest. „Ich hatte solche Sehnsucht nach dir, Alessandro.“
„Ich ebenfalls, meine süße Mondgöttin, deshalb habe ich meine Mutter ja gebeten, euch einzuladen. Leider wurde ich aufgehalten, sonst wäre ich schon längst gekommen.“
„Was hat dich nur aufhalten können, zu mir zu kommen?“ fragte Selina mit spielerischem Vorwurf.
„Geschäftliche Dinge und, wie ich zugeben muss, weitaus unwichtiger als auch nur ein Blick aus deinen
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