Selina - Liebesnaechte in Florenz
Selina de Valière, wie man sie in ihrer früheren Heimat nennt.“
Alessandro horchte auf. Sollte sein Freund etwa ein Auge auf seine Mondgöttin geworfen haben? Er ließ diesen Gedanken so schnell fallen wie er ihm gekommen war. Nein, jeder in Florenz – und damit auch Francesco – hielt seine kleine Lügnerin für die Gesellschafterin der falschen Selina. Dann hatte er sich also in diese verliebt!
„Habe keine Sorge, mein Freund, ich gedenke dir deine Angebetete nicht wegzunehmen“, sagte er freundlich und klopfte seinem angetrunkenen amico auf die Schulter. „Wenn du um sie werben willst, dann werde ich der Letzte sein, der deiner Liebe im Wege steht.“
„Wie kann ich um eine Frau werben, die dir, meinem besten Freund, versprochen ist?“ klagte Francesco, nahm den Weinkrug und füllte abermals seinen Pokal. „Du liebst sie doch gar nicht, Alessandro.“
„Nein“, gab Alessandro zu.
„Und doch willst du sie heiraten! Obwohl sie dir so wenig bedeutet, dass du sie sogar schmähst! Sie nicht als würdig genug für dich empfindest!“
„Das habe ich nicht“, erwiderte Alessandro ruhig. „Ich habe lediglich gesagt, dass sie nicht die Frau ist, die zu mir passt. Als ich diese Worte sprach hatte ich jedoch keine Ahnung, wie sehr du schon in Zuneigung zu ihr entbrannt bist. Hätte ich es gewusst...“ Er schämte sich für seine Unbedachtheit und seine Gedankenlosigkeit. Sein bester Freund, der ihm näher stand als ein Bruder, hatte sich in dieses hübsche, aber langweilige Mädchen verliebt und er hatte es nicht bemerkt. ‚ So sehr bin ich also selbst schon gefangen’, dachte er mit einem leichten Schmunzeln. ‚ So sehr verzaubert von meiner verführerischen Mondgöttin, dass ich kein waches Auge mehr für meine Umgebung habe.’
„Welchen Unterschied macht es?“ fuhr Francesco hoch. „Du sprichst mit zwei Zungen! Auf der einen Seite ist sie dir nicht gut genug, nicht die Frau, die zu dir passt, du vergnügst dich sogar mit ihrer Bediensteten, und auf der anderen verkündest du überall mit lauter Stimme, dass du die Enkelin Bene Santinis heiraten wirst und dich nichts und niemand davon abhalten könnte.“ Er nahm den Krug, um sich von neuem einzuschenken.
„Das werde ich auch“, sagte Alessandro mit einem belustigten Lächeln. „Ich werde die Enkelin des Bene Santini heiraten, nur...“, er beugte sich etwas näher zu seinem Freund, der ihn wütend anstarrte, „die Frau, in die du dich verliebt hast, mein armer Freund, ist nicht Selina Santini.“
Francesco blickte ihn verständnislos an. Der Krug entglitt seiner Hand, fiel auf den Tisch und zerbrach und der rote Wein floss über das dunkle, fleckige Holz. Alessandro sprang schnell auf, bevor die Flüssigkeit seine Kleider erreichen konnte, nahm Francesco den Becher aus der Hand und zog ihn hoch.
„Wir sprechen daheim weiter, mein Freund. Für heute hast du genug. Und wenn dein Geist und dein Verstand wieder klar und nicht vom Wein umnebelt sind, wirst du alles verstehen.“ Er fasste Francesco unter dem Arm und warf dem alten Gastwirt, der nun näher kam, ein Goldstück zu. „Hab’ Dank, mein Alter, das ist für deine Mühe und für den Krug.“
Der Alte griff hastig nach dem Geldstück und verbeugte sich mehrmals. „Es war mir eine Ehre, Signor Alessandro.“
Treffen in Fiesole
Z u Selina größter Überraschung erschien zwei Tage später ein Bote von Alessandros Mutter, Domenica di Barenza. Er überbrachte eine sehr liebenswürdig formulierte Einladung für die Enkelin des Bene Santini und deren Freundin, den kommenden Sonntag in Fiesole zu verbringen. Der Großvater rieb sich die Hände, nachdem er den Boten mit einer äußerst höflich abgefassten Antwort wieder zurückgeschickt hatte.
„Wenn bisher noch ein Zweifel bestanden hat, dass Alessandro Selina heiraten wird, so haben wir nun Grund, zufrieden zu sein“, erklärte er seinem Sohn, die Enkelin, um die es dabei ging, einfach übersehend. „Domenica di Barenza hätte uns andernfalls niemals diese Einladung geschickt.“ Er warf einen Blick auf Fiorina, die über eine Handarbeit gebeugt dabei saß. „Du wirst die beiden begleiten, damit alles seine Richtigkeit und Ordnung hat.“
Fiorina sah schnell auf und Selina bemerkte das Glitzern in ihren Augen. Die Gattin ihres Onkels tat ihr Leid. Sie arbeitete noch mehr als die Bediensteten, kümmerte sich dabei noch liebevoll um ihre drei Kinder und den ältesten Sohn und ertrug die Launen des alten Santini mit einer
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