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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Maigret beobachtete die Szene und sah, daß der Wäschehändler die Stirn runzelte und ihn mit ängstlichem Blick von oben bis unten musterte. Erst nach einer Weile gewann er seine Ruhe wieder.
      Auf der Suche nach einem Tisch, näherte sich die Gruppe der Terrasse.
      »Eine Runde Pernod? Wo ist denn James?«
      Feinstein bemühte sich, seine Nervosität zu unterdrücken. Doch er achtete nur auf Maigret.
      »Was nehmen Sie?«
      »Es ist mir ganz gleich.«
      »Sie …«
      Er wollte mehr sagen, brach aber ab und tat so, als hätte ihn irgend etwas abgelenkt. Erst nach einer Pause fand er die Sprache wieder.
      »Merkwürdig«, sagte er leise, »daß der Zufall Sie nach Morsang geführt hat.«
      »Ja, das ist eigenartig«, pflichtete der Kommissar ihm bei.
      Es wurde getrunken und durcheinandergeredet. Madame Feinsteins Fuß ruhte auf dem Monsieur Bassos, den sie mit glänzenden Augen fortwährend ansah.
      »Ein schöner Tag! Nur schade, daß das Wasser so klar ist. Man wird nichts fangen.«
      Die Luft stand drückend still. Maigret mußte an einen grellen Sonnenstrahl denken, der durch das Gitterfenster einer hohen Zelle fiel, an Lenoir, der unablässig hin und her wanderte, als wollte er vergessen, daß ihm nicht mehr viele Schritte beschieden waren.
      Und je hartnäckiger ihn dieses Bild verfolgte, desto eindringlicher ruhte sein Blick auf den Gesichtern vor ihm. Prüfend betrachtete er nun Basso, den Wäschehändler, den Gießereibesitzer, James, der eben erschien, die Frauen und jungen Leute …
      Er versuchte sich jeden von ihnen vorzustellen, in jener Nacht am Kanal Saint-Martin, als er einen Toten wie eine Gliederpuppe vor sich herschob.
      »Auf Ihr Wohl!« Feinstein rief es ihm mit vielsagendem Lächeln zu.

    3

    Die zwei Boote

    M aigret hatte allein zu Mittag gegessen. Um ihn
           herum, an den anderen Tischen, saßen die Stammgäste und unterhielten sich lebhaft.
      Es war ihm klar, welcher Gesellschaftsschicht sie angehörten – Kaufleute, Unternehmer, ein Ingenieur, zwei Ärzte, Leute mit eigenem Auto, aber mit wenig Zeit. Sonntagsausflügler!
      Alle besaßen Motor- oder Segelboote. Alle waren Angler. Alle mehr oder weniger leidenschaftlich.
      Vierundzwanzig Stunden in der Woche lebten sie barfuß oder in Holzschuhen, in Leinenzeug und legten sich den wiegenden Gang alter Seebären zu.
      Es waren mehr Ehepaare als Ledige, und es herrschte unter ihnen die Vertraulichkeit, die sich ergibt, wenn Menschen jahrelang den Sonntag gemeinsam verbringen.
      James war der anerkannte Mittelpunkt, das Bindeglied zwischen den einzelnen Gruppen. Er brauchte nur zu erscheinen, gut gebräunt, gleichgültig dahinschlendernd, die Augen in unbestimmte Ferne gerichtet, um sofort beste Stimmung zu verbreiten.
      »Kater, James?«
      »Lasse ich niemals aufkommen. Wenn ich spüre, daß der Magen streikt, beruhige ich ihn mit Pernod.«
      Man sprach von den Erlebnissen der Nacht. Einen hatte das graue Elend gepackt, worüber man lachte, und ein anderer wäre beinahe in die Seine gefallen.
      Maigret saß isoliert zwischen den Leuten, mit denen er schon am Vorabend zusammen gewesen war. Zu vorgerückter Stunde hatten sie ihn geduzt. Jetzt aber sah man ihn verstohlen an, wenn man nicht aus reiner Höflichkeit eine Frage an ihn richtete.
      »Sind Sie auch Angler?«
      Die Bassos aßen zu Hause. Auch die Feinsteins und andere, die hier eine Villa hatten. Schon daraus ergaben sich gewisse Klassenunterschiede: Leute mit und Leute ohne Villa.
      Gegen vierzehn Uhr erschien der Besitzer des Wäschegeschäfts, der Maigret unter seine Fittiche genommen zu haben schien.
      »Man erwartet Sie zum Bridge.«
      »Wo?«
      »Bei Basso. Eigentlich sollte es bei mir sein, aber die Hausangestellte ist krank geworden … Kommst du, James?«
      »Ich komme mit dem Boot.«
      Die Villa lag einen Kilometer flußaufwärts. Maigret und Feinstein gingen zu Fuß, andere ruderten oder segelten.
      »Ein charmanter Mensch, dieser Basso! Finden Sie nicht?«
      Maigret wußte nicht, ob das ernst oder ironisch gemeint war.
      Wirklich seltsam war dieser Feinstein – weder gut noch schlecht, weder jung noch alt, weder hübsch noch häßlich. Vielleicht oberflächlich, vielleicht auch voller Geheimnisse.
      »Ich vermute, daß Sie künftig die Sonntage mit uns verbringen werden.«
      Am Ufer trafen sie Menschen, die picknickten. Alle hundert Meter stand ein

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