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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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langweilen sich. Sie können nichts dafür. Jeder langweilt sich. Im Leben …«
      Das wirkte drollig, weil James ein ganz glückliches Gesicht dabei machte und die Sonne auf seiner Glatze glänzte.
      »Sag mal, stimmt es, daß du von der Polizei bist?«
      »Wer sagt das?«
      »Ich weiß nicht, habe eben so was gehört. Na, und wenn? Ein Beruf wie jeder andere …«
      James holte sein Segel bei, das eine sanfte Brise jetzt leicht blähte. Es war sechs Uhr. Man hörte die Glocke von Morsang. Die von Seineport antwortete. Im Schilf am Fluß wimmelte es von Insekten. Die Sonne nahm einen rötlichen Schein an.
      »Was hast …?«
      Ein trockener Knall hatte Maigret mit einer Plötzlichkeit auffahren lassen, daß sich das Boot auf die Seite legte. James wechselte den Platz, nahm ein Ruder und begann zu wricken. Man konnte ihm ansehen, daß er plötzlich unruhig geworden war.
      »Die Jagdsaison hat doch noch nicht begonnen …«
      »Es war hinter der Pinte«, erwiderte Maigret.
      Je mehr man sich dem Haus näherte, desto deutlicher waren die Klänge des mechanischen Klaviers zu hören. Eine erregte Stimme rief:
      »Schluß mit der Musik! Aufhören! Aufhören!«
      Alles floh davon. Ein Paar tanzte noch, als die Musik schon abgebrochen war. Die alte Großmutter trat aus dem Haus, einen Eimer in der Hand. Sie blieb stehen, um zu verstehen, was vorging.
      Das dichte Schilf erschwerte die Landung. Maigret geriet mit einem Bein ins Wasser.
      James folgte ihm, ohne sich zu sehr zu beeilen. Er murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.
      Man brauchte nur den Leuten zu folgen, die zur Rückseite des als Tanzlokal dienenden Schuppens gingen. Dort befand sich ein Mann, der auf die anderen mit großen, verwirrten Augen starrte und die Worte wiederholte:
      »Ich war es nicht …«
      Der Mann war Basso. In der Hand hielt er einen kleinen Revolver mit Perlmuttgriff. Er schien sich dieser Tatsache gar nicht bewußt zu sein.
      »Wo ist meine Frau?« fragte er die Umherstehenden geistesabwesend.
      Einige machten sich auf die Suche. Jemand sagte:
      »Sie bereitet das Essen vor …«
      Als Maigret nähergekommen war, sah er eine Gestalt im hohen Gras liegen – einen Mann in grauem Anzug, einen Strohhut auf dem Kopf.
      Die Szene hatte nichts Tragisches, sie wirkte eher lächerlich, da absolut nichts geschah. Die Zuschauer wußten nicht, was sie tun sollten. Sie standen still, verdutzt und unschlüssig und starrten auf einen ebenso verdutzten und unschlüssigen Basso.
      Sogar ein Arzt, der in der Menge stand, unternahm nichts. Er stand dicht neben dem hingestreckten Körper und wagte nicht sich niederzubeugen. Er sah die anderen an, als erwartete er einen Rat von ihnen.
      Tragisch war nur, daß der Körper sich noch bewegte. Ein Zucken ging durch seine Glieder, die Füße suchten Halt, dann eine Drehung der Schultern, und nun sah man das Gesicht von Monsieur Feinstein.
      In einer letzten gewaltsamen Anstrengung versuchte er sich aufzurichten. Er fiel zurück und blieb regungslos liegen. Erst jetzt war er gestorben.

    »Untersuchen Sie das Herz!« wandte sich Maigret an den Arzt.
      Der Kommissar, mit dramatischen Situationen vertraut, sah alles. Nicht eine Kleinigkeit entging ihm. Mit fast unwirklicher Schärfe behielt er das ganze Bild und jede Einzelheit im Auge.
      Jemand in der letzten Reihe war zusammengebrochen und begann laute Schreie auszustoßen. Es war Madame Feinstein, die eben erst gekommen war, nachdem sie bis vor wenigen Augenblicken getanzt hatte. Einige küm merten sich um sie. Der Wirt der Pinte näherte sich mit der bekümmerten Miene eines mißtrauischen Bauern.
      Basso atmete so heftig, daß sich seine Brust stoßweise aufblähte. Plötzlich bemerkte er den Revolver in seiner Hand.
      Mit irren Augen starrte er im Kreis herum, als suchte er einen, dem er die Waffe übergeben könnte. Dann lallte er wieder:
      »Ich bin es nicht gewesen …«
      »Tot«, erklärte der Arzt, der sich wieder aufgerichtet hatte.
      »Einschuß?«
      »Hier!«
      Der Arzt zeigte auf die Stelle, wo die Kugel eingedrungen war. Dann sah er sich nach seiner Frau um, die im Badeanzug zu den Zuschauern getreten war.
      »Haben Sie Telefon im Haus?« fragte Maigret den Wirt.
      »Nein. Am Bahnhof oder an der Schleuse …«
      Marcel Basso trug eine weiße Flanellhose. Sein weit offenes Hemd betonte seinen Brustumfang.
      Plötzlich taumelte er,

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