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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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griff in die Luft, als suchte er Halt. Dann sank er ins Gras, wo er wenige Meter von dem Leichnam entfernt sich mühsam aufrichtete und den Kopf in beide Hände stützte.
      Auch jetzt entbehrte die Szene nicht einer gewissen Komik. Man hörte eine zarte Frauenstimme:
      »Er weint!«
      Sie glaubte, leise zu sprechen. Aber jeder verstand sie.
      »Haben Sie ein Rad?« fragte Maigret den Wirt.
    »Gewiß.«
      »Gut, fahren Sie zur Schleuse und benachrichtigen Sie die Gendarmerie …«
      »In Corbeil oder Cesson?«
      »Das ist egal.«
      Während Maigret Basso mit ärgerlicher Miene musterte, nahm er den Revolver und prüfte ihn. Nur eine Kugel fehlte in der Trommel.
      Es war ein Damenrevolver, hübsch wie ein Schmuckstück. Und die Kugeln waren winzig. Und doch hatte eine Kugel genügt, Feinstein zu töten.
      Er hatte wenig Blut verloren. Nur ein roter Fleck auf der hellgrauen Weste. Noch im Tod der wohlgepflegte Mann, der er im Leben war.
      »Mado hat einen Nervenzusammenbruch. Sie ist im Haus«, sagte ein junger Mann.
      Mado war Madame Feinstein. Man hatte sie auf das hohe Bett der Wirtsleute gelegt. Aller Augen belauerten Maigret. Eisige Stille trat ein, als vom Flußufer eine Stimme rief:
      »Coucou, wo seid ihr?«
      Pierrot, Bassos Junge, hatte mit seinem Boot angelegt. Er kam näher und suchte die Wochenendgäste.
      »Haltet ihn zurück! Schnell!«
      Basso hatte sich aufgerichtet. Er schämte sich wohl seines Schwächeanfalls. Jedenfalls hatte er die Hände, mit denen er sein Gesicht bedeckt hielt, auf die Knie gestützt. Er starrte noch immer im Kreis herum.
      »Ich bin von der Kriminalpolizei«, sagte Maigret.
      »Sie wissen …, ich war es nicht …«
      »Wollen Sie mir bitte einen Augenblick folgen.« Dann wandte er sich an den Arzt: »Ich muß mich darauf verlassen können, daß der Tote bleibt, wie er ist. Niemand darf ihn berühren!« Und zu den Herumstehenden: »Ich bitte Sie, Monsieur Basso und mich allein zu lassen …«
      Der ganzen Szene hatte die rechte Regie gefehlt. Sie paßte in all ihrer Düsterkeit nicht in die noch immer strahlende, sommerwarme Atmosphäre.
      Angler zogen ihres Wegs, die Beute in einem Netz auf der Schulter, während Basso neben Maigret ging.
      »Es ist doch eine unerhörte Sache …«
      Er war ohne Kraft und ohne Energie. Als sie um den Schuppen gegangen waren, sahen sie den Fluß, die Villa am anderen Ufer und im Garten Madame Basso, die Stühle zurechtrückte.
      Aus seinem kleinen Boot rief der Junge:
      »He! Mama bittet um den Kellerschlüssel.«
      Aber der Vater antwortete nicht. Sein Gesicht hatte sich verändert. Es glich jetzt dem eines verfolgten Tiers.
      »Sagen Sie ihm, wo der Schlüssel ist.«
      Er bemühte sich, ihm zuzurufen:
      »Er hängt am Haken in der Garage.«
      Der Junge verstand nicht. Er mußte es wiederholen.
      »Was hat sich zwischen Ihnen zugetragen?« fragte Maigret, während sie den Schuppen mit dem mechanischen Klavier betraten.
      »Ich weiß es nicht.«
      »Wem gehört die Waffe?«
      »Nicht mir. Mein Revolver befindet sich im Wagen …«
    »Hat Feinstein Sie angegriffen?«
    Langes Schweigen. Dann, mit einem Seufzer:
      »Ich weiß es nicht. Ich habe nichts getan … Vor allem schwöre ich, daß ich ihn nicht getötet habe …«
      »Aber Sie hatten die Waffe in der Hand!«
      »Ja …, aber ich weiß nicht, wie es kam.«
      »Sie behaupten, daß ein anderer den Schuß abgegeben hat?«
      »Nein … ich … Sie können sich nicht vorstellen, wie schrecklich das ist.«
      »Hat sich Feinstein selbst getötet?«
      »Er hat …«
      Er setzte sich auf eine Bank und nahm wieder den Kopf in beide Hände. Dann griff er nach einem in der Nähe stehenden Glas, leerte es und verzog sein Gesicht.
      »Was geschieht nun? Werden Sie mich … verhaften?«
      Da Maigret nichts erwiderte, blickte er ihn starr an und runzelte die Stirn.
      »Aber … wie kam es, daß Sie gerade dort waren? Sie konnten doch nicht wissen …«
      Er versuchte, die wirren Ideen, die in ihm auftauchten, zu ordnen. Dabei verzog er sein Gesicht.
      »Man könnte meinen, es war ein Hinterhalt …«
      Das weiße Boot kam vom anderen Ufer zurück.
      »Papa«, schrie der Junge, »der Schlüssel hängt nicht in der Garage. Mama will ihn aber haben …«
      Mechanisch tastete Basso seine Taschen ab. Metall klapperte. Dann legte er einen Schlüsselbund auf den

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