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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Sie verheiratet?«
      »Acht Jahre.«
      »Wußte Ihr Gatte von Ihren Beziehungen zu Basso?«
      »Nein, natürlich nicht.«
      »Hatte er irgendeinen Verdacht?«
      »Nicht den geringsten.«
      »Glauben Sie, daß er fähig gewesen wäre, Basso mit der Waffe zu bedrohen, wenn er etwas erfahren hätte?«
      »Ich weiß nicht … Er war ein seltsamer Mann, sehr verschlossen …«
      Eine Ehe ohne besondere Vertraulichkeit. Feinstein, in Anspruch genommen vom Geschäft, Mado unterwegs in Läden und Garnis.
      Maigret, dem bei den routinemäßigen Verhören die Laune verging, unterhielt sich mit dem Portier, den Lieferanten, dem Geschäftsführer des Wäschegeschäfts am Boulevard des Capucines.
      Wenn er all diese Gespräche überblickte, dann gewann er den Eindruck einer zwar etwas zweideutigen, doch eher unangenehmen Banalität.
      Feinstein hatte in der Avenue de Clichy ganz klein begonnen. Ein Jahr nach seiner Heirat hatte er mit Hilfe einer Bank ein größeres Geschäft in besserer Lage übernommen.
      Und dann war es gegangen, wie es meistens geht, wenn die solide Grundlage fehlt: Schwierigkeiten, Wechselproteste, Demütigungen und Notbehelfe am Monatsende.
      Keine faule oder schmutzige Angelegenheit, aber auch nichts Vertrauenserweckendes.
      Und der Haushalt am Boulevard des Batignolles hatte bei allen Lieferanten Schulden.
      Maigret fand sogar den Mut, sich in dem kleinen Büro hinter dem Laden stundenlang in die Bücher des Verstorbenen zu vertiefen. In der Zeit, in der das von Lenoir am Vorabend seiner Hinrichtung erwähnte Verbrechen geschehen war, konnte er nichts Ungewöhnliches entdecken.
      Keine auffälligen Eingänge. Keine Reise. Kein besonderer Kauf.
      Nichts. Langweiliger Kleinkram. Eine Untersuchung, die nicht von der Stelle kam! Im höchsten Grade nichtssagend war auch die Vernehmung von Madame Basso in Morsang, die sich merkwürdig gefaßt zeigte. Sie war zwar betrübt, aber keineswegs verzweifelt und von einer unerwarteten Haltung.
      »Mein Mann hatte wohl triftige Gründe, die Freiheit zu wählen.«
      »Halten Sie ihn für schuldig?«
      »Nein.«
      »Hm, aber dieses Verschwinden … Hat er Ihnen kein Lebenszeichen gegeben?«
      »Nein.«
      »Wieviel Geld hatte er bei sich?«
      »Kaum mehr als hundert Franc.«
      Die Zustände am Quai d’Austerlitz waren mit denen des Wäschegeschäfts nicht zu vergleichen. Der Kohlenhandel erbrachte jährlich seine fünfhunderttausend Francs. In den Büros und auf den Lagerplätzen herrschte Ordnung. Eine Anzahl von Kähnen, die der Firme gehörten, am Kai. Das Geschäft hatte der Vater gegründet. Der Sohn brauchte es nur fortzuführen, was er mit Erfolg tat.
      Auch das Wetter war nicht dazu angetan, Maigrets Laune zu verbessern. Er litt unter der Hitze, die jeden Tag bis in die Nachmittagsstunden über der Stadt brütete.
      Nachmittags bedeckte sich der Himmel. Die Luft war wie geladen, ein plötzlicher Wind setzte ein, Staub wirbelte in den Straßen auf.
      Zur Zeit des Aperitifs ging es los: Donner, begleitet von Regenströmen, Wasserfälle ergossen sich über den Asphalt, durchdrangen die Markisen über den Terrassen und zwangen die Besucher zur Flucht ins Innere.
      An einem Mittwoch suchte Maigret, vom Unwetter überrascht, Schutz in der ›Taverne Royale‹. Ein Mann kam ihm entgegen, gab ihm die Hand. Es war James, der allein an einem Tisch saß, einen Pernod vor sich.
      Der Kommissar hatte ihn bisher noch nicht im Alltagsanzug gesehen. Er sah jetzt mehr aus wie ein kleiner Angestellter, ganz anders als im Phantasiekostüm von Morsang. Aber etwas von einem Gaukler hatte er doch behalten.
      »Sie trinken wohl ein Glas mit mir?«
      Maigret war erschöpft. Mit zwei Stunden Regen war zu rechnen. Dann mußte er am Quai des Orfèvres nachfragen, ob etwas Neues vorlag.
      »Pernod?«
      Gewöhnlich trank er nur Bier. Aber er nickte, trank dann gedankenlos. James war kein unangenehmer Gesellschafter. Er hatte vor allem eine große Tugend: er war nicht geschwätzig.
      Er saß bequem zurückgelehnt mit übereinandergeschlagenen Beinen und beobachtete die im Regen Vorübereilenden, während er zahllose Zigaretten rauchte.
      Von einem Zeitungsjungen kaufte er ein Abendblatt, sah es flüchtig durch und reichte es Maigret, wobei er auf eine Notiz zeigte:
    Marcel Basso, der mutmaßliche Mörder des Wäschehändlers Feinstein, trotz aller Bemühungen der Polizei nicht auf

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