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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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falsche Spur auszulegen.
      »So, so!« zischte Maigret vor sich hin.
      »Zwei Pernod!«
      »Es ist nicht einmal sicher, daß Mado es wußte … Es ging höchst diskret vor sich. Feinstein pumpte die Liebhaber seiner Frau an, ohne anzudeuten, daß er Bescheid wußte. Er insistierte einfach, zweideutig und beharrlich …«
      Sie schwiegen.
      Das Unwetter verzögerte sich. Maigret trank seinen Pernod und sah dabei auf die vorüberflutende Menschenmenge. Er saß bequem, fühlte sich wohl und überdachte das Problem, wie es sich nun darbot.
      Um acht Uhr verabschiedete sich James und ging, gerade, als der Himmel seine Schleusen öffnete.
      Die Begegnungen wurden zur Gewohnheit. Ganz automatisch lenkte Maigret jeden Freitag seine Schritte zur ›Taverne Royale‹. Einmal entfuhr ihm die Frage:
      »Gehen Sie nie nach Hause, wenn Sie mit Ihrer Arbeit fertig sind? Warten Sie immer bis acht?«
      »Man muß ein Eckchen für sich haben!«
      Und dieses Eckchen war ein Marmortisch auf einer
    Terrasse. Das Glück, das es gewährte, war ein opalfarbenes Getränk. Die Aussicht, die es bot, ging auf weiße Kellnerschürzen, Menschen, Wagen und die Säulenhalle der Madeleine.
      »Sind Sie schon lange verheiratet?«
      »Acht Jahre …«
      Maigret wagte nicht zu fragen, ob er seine Frau liebte. Er war übrigens überzeugt, daß er die Frage bejahen würde. Nach acht Uhr! Nachdem er das Glück des friedlichen Eckchens genossen hatte.
      Hatten sich die beiden Männer nicht eigentlich schon angefreundet?
      Heute sprachen sie nicht über den ›Fall‹. Maigret trank seine drei Glas. Es drängte ihn, das Leben durch einen Schleier zu sehen. Er hatte allerhand Ärger und kleine, lästige Sorgen.
      Es war Ferienzeit, er mußte mehrere Kollegen vertreten, und der Untersuchungsrichter, der mit dem Fall Feinstein zu tun hatte, ließ ihm keine Ruhe. Bald gab es eine neue Vernehmung der Frau, bald eine neue Durchsicht der Geschäftsbücher des Wäschehändlers oder Fragen an Bassos Angestellte.
      Die Kriminalpolizei litt unter chronischem Personalmangel, und zur Überwachung der verschiedenen Orte, wo der Entflohene auftauchen konnte, brauchte man eine Menge Leute. Kurz, der Chef war in schlechter Laune.
      »Wann klären Sie nun endlich die leidige Sache auf?« hatte er Maigret am Morgen gefragt.
      Maigret war wie James der Ansicht, daß sich Basso in Paris aufhielt. Aber wo hatte er sich Geld verschafft? Oder wie fristete er sonst sein Leben? Worauf hoffte er, was erwartete er, was tat er?
      Seine Schuld stand nicht fest. Hätte er sich festnehmen lassen, wäre er mit Hilfe eines tüchtigen Verteidigers vielleicht freigekommen. Vielleicht hätte man ihn zu einer geringfügigen Strafe verurteilt, nach deren Verbüßung er zu seiner Frau, seinem Sohn, seinem Vermögen zurückkehren konnte.
      Statt dessen war er geflohen, hielt sich verborgen, verzichtete somit auf alles, was für ihn das Leben bedeutete.
      »Er wird seine Gründe haben«, hatte James in aller Gemütsruhe festgestellt.

    rechnen mit dir. sind an der bahn. küsse.

    Es war Samstag. Madame Maigret schickte ein liebevolles Ultimatum, auf das ihr Mann noch keine Antwort wußte. Um fünf war er in der ›Taverne Royale‹. Nach der Begrüßung bestellte James den üblichen Pernod.
      Wieder strömten die Menschen zu den Bahnhöfen, fuhren gepäckbeladene Taxis vorüber, sah man Ferienfreude auf vielen Gesichtern.
      »Fahren Sie nach Morsang?« fragte Maigret.
      »Wie jeden Samstag!«
      »Man wird Sie vermissen …«
      Der Kommissar wäre gern mitgefahren. Aber anderseits wollte er seine Frau nicht länger warten lassen, und die Forellenfischerei in elsässischen Bächen war nicht zu verachten, auch nicht die Essensdüfte im Hause seiner Schwägerin.
      Er war noch unschlüssig und sah James fragend an, bis dieser plötzlich aufstand und sich ins Lokal begab.
      Maigret beachtete sein Verschwinden kaum. Es dauerte nicht lange. James kehrte bald an seinen Platz zurück. Nach etwa fünf Minuten erschien der Kellner.
      »Monsieur Maigret?«
      »Das bin ich. Was gibt es?«
      »Telefon, bitte.«
      Maigret folgte dem Kellner und fragte sich, woher der Anruf kommen mochte, denn trotz seiner Benommenheit ahnte ihm etwas. Als er in die Telefonzelle trat, wandte er den Kopf und bemerkte, daß James ihm nachsah. Er schloß die Tür und nahm den Hörer.
      »Hallo! Hier Maigret … hallo … hallo …«

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