Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
anderes.«
      »Haben Sie Ulrich gekannt?«
      Ein bitteres Lächeln.
      »Beachten Sie das Datum auf der ersten Seite des Notizbuchs. Es liegt zwölf Jahre zurück … Und vor etwa zehn Jahren habe ich Ulrich zum letztenmal gesehen …«
      Allmählich gewann er einen kühlen Kopf zurück, doch der müde Klang seiner Stimme verriet Verzweiflung.
      »Mein Vater lebte noch. Fragen Sie jeden, der ihn gekannt hat, und Sie werden hören, wie streng und puritanisch er war. Ich hatte weniger Geld zur Verfügung als die ärmsten meiner Kameraden … So kam es, daß ich den Weg zur Rue des Blancs-Manteaux fand … Papa Ulrich waren solche Transaktionen nicht fremd …«
    »Hm. Sie wissen also nicht, daß er tot ist?«
      Basso schwieg. Maigret fuhr fort, den anderen mit seinen Fragen zu bestürmen:
      »Sie wissen nicht, daß er ermordet, im Auto zum Kanal Saint-Martin geschafft und dort ins Wasser geworfen wurde?«
      Der Gefragte gab keine Antwort. Sein Blick wanderte von seiner Frau zu seinem Jungen und zu der Alten, die den Tisch zu decken begann, wobei ihr die Tränen über das zerfurchte Gesicht rannen.
      »Was gedenken Sie nun zu tun?«
      »Ich verhafte Sie. Ihre Frau und Ihr Sohn können hierbleiben oder nach Hause zurückkehren …«
      Maigret öffnete die Tür und rief dem Polizisten zu:
      »Sorgen Sie für einen Wagen!«
      Auf der Straße standen kleine Gruppen von Neugierigen, vorsichtige, scheue Leute vom Lande, die sich in angemessener Entfernung hielten. Dann lag Madame Basso in den Armen ihres Mannes, der ihr mechanisch den Rücken streichelte und ins Weite starrte.
      »Schwöre mir, daß du auf dich aufpaßt«, sagte sie atemlos, »und vor allem … vor allem, daß du keine Dummheit begehst!«
      »Ja.«
      »Schwörst du es?«
      »Ja.«
      »Denk an deinen Sohn, Marcel.«
      »Ja, ja …«, wiederholte er, etwas irritiert, und befreite sich.
      Er fürchtete wohl, daß ihn wieder seine Gefühle übermannen würden. Deshalb erwartete er das Auto mit Ungeduld. Er wollte nichts reden, nichts hören, nichts sehen. Seine Hände flatterten fieberhaft.
      »Du hast den Mann nicht getötet, nicht wahr? Hör mich an, Marcel. Du mußt mich anhören. Wegen der anderen Sache wird man dich nicht verurteilen. Es geschah ja gegen deinen Willen … und man wird berücksichtigen, daß er ein gemeines Subjekt war. Ich werde mich sofort an einen guten Anwalt wenden.«
      Sie sprach mit Leidenschaft, damit er nichts überhöre.
      »Jeder weiß, daß du ein ehrenhafter Mann bist. Vielleicht setzt man dich vorläufig auf freien Fuß. Vor allem darfst du dich nicht schwach machen lassen. Und da du mit dem anderen … dem anderen Verbrechen nichts zu tun hast …«
      Dabei warf sie einen herausfordernden Blick auf den Kommissar.
      »Morgen früh bin ich beim Anwalt. Ich bitte Papa, aus Nancy zu kommen und mir beizustehen. Sag, daß du zuversichtlich bist!«
      Sie begriff nicht, daß sie ihn peinigte, ihn mit ihrem Wortschwall aus der Fassung brachte. Hörte er überhaupt auf das, was sie sagte? Er lauschte auf die Geräusche der Straße, so sehnsüchtig erwartete er das Eintreffen des Autos.
      »Ich komme zu dir mit unserem Jungen …«
      Endlich hörte man das Auto kommen. Maigret beendete die Szene.
      »Bitte, kommen Sie!«
      »Du hast mir geschworen, Marcel!«
      Sie konnte ihn nicht so von sich lassen, sie schob ihm den Jungen in den Weg, um ihn zu erweichen, während er die drei Stufen hinabging.
      Dann packte sie Maigret am Arm, kniff ihn vor Erregung.
      »Passen Sie auf ihn auf«, keuchte sie. »Verhindern Sie, daß er sich umbringt! Ich kenne ihn …«
      Sie sah die Neugierigen, denen sie entschlossen und furchtlos entgegenblickte.
      »Warte … dein Halstuch …«
      Sie holte es und reichte es in den Wagen, der sich schon in Bewegung setzte.
      Allein die Tatsache, daß die beiden Männer im Auto allein waren, brachte Entspannung. Mindestens zehn Minuten schwiegen sie. Sie befanden sich schon auf der Hauptstraße nach Paris, als Maigret plötzlich bemerkte:
      »Sie haben eine bewundernswerte Frau!«
      »Ja … sie hat Verständnis … wohl, weil sie Mutter ist. Wenn ich sagen sollte, was mich dazu getrieben hat, der Liebhaber jener … jener anderen zu werden …«
      Dann, nach einer Pause, in einem vertraulicheren Ton:
      »Wenn es geschieht, macht man sich keine Gedanken. Man spielt … und später hat man nicht den

Weitere Kostenlose Bücher