Semenon und die kleine Landkneipe
die Schlafkammer.«
»Haben Sie zu dritt darin geschlafen?«
»Die beiden Frauen und der Junge. Ich habe hier auf einem Strohsack gelegen …«
Strohhalme lagen noch auf dem Steinfußboden. Basso war ruhig, aber es war die Ruhe, wie sie auf Fiebertage folgt. Es sah fast aus, als erleichterte ihn die Wendung der Dinge. Er sagte denn auch sofort:
»Ich hätte mich sowieso gestellt.«
Wenn er geglaubt hatte, Maigret mit diesem Geständnis zu überraschen, so irrte er sich. Der Kommissar überhörte es und sah ihn neugierig an.
»Ist das nicht ein Anzug von James?«
Es war ein grauer Anzug, der sehr schlecht saß. Basso war breit in den Schultern und ebenso kräftig gebaut wie Maigret. Und es gibt bekanntlich nichts, was das Aussehen eines Mannes im besten Alter so untergraben kann wie zu enge Kleidung.
»Da Sie es schon sagen …«
»Ich kann noch viel mehr sagen … aber sind Sie sicher, daß die Suppe länger kochen muß?«
Dem Topf entströmte ein unerträglicher Duft, und der Deckel klapperte unaufhörlich. Als Maigret den Topf vom Feuer nahm, wurde sein Kopf kurz vom Schein der Flammen angestrahlt.
»Kannten Sie die Alte hier?«
»Ich wollte Sie gerade fragen, ob es nicht möglich ist, ihr Unannehmlichkeiten zu ersparen … Sie ist bei meinen Eltern im Haus gewesen und kennt mich seit meiner Kindheit … Als ich sie bat, mich aufzunehmen, wagte sie nicht abzulehnen.«
»Ich verstehe. Und dann war sie so dumm, für zweiundzwanzig Franc Schinken zu kaufen.«
Basso war ziemlich abgemagert. Außerdem hatte er sich tagelang nicht rasiert, was sein Aussehen nicht gerade verschönte.
»Ich hoffe auch«, fuhr er fort, »daß meine Frau von der Justiz verschont bleibt …«
Er stand unbeholfen auf und machte diesmal den Eindruck eines Mannes, der um Haltung ringt, bevor er sich zu einem wichtigen Thema äußert.
»Ich habe den Fehler begangen, zu fliehen und mich zu verbergen. Das allein beweist wohl eigentlich schon, daß ich kein Verbrecher bin … Sie werden verstehen, was ich meine … Ich war völlig durcheinander, sah meine Existenz bedroht, wollte ins Ausland, dort neu beginnen …«
»Und Sie haben James beauftragt, Ihre Frau herzubringen, Geld von der Bank zu holen und Kleidung zu beschaffen.«
»Ja.«
»Aber Sie waren sich doch klar darüber, daß Sie umstellt waren …«
»Die alte Mathilde hat mir erzählt, daß an jeder Ecke Gendarmen postiert sind …«
Aus dem Nebenraum waren Geräusche zu hören. Der Junge verhielt sich nicht still, vielleicht lauschte Madame Basso an der Tür, denn von Zeit zu Zeit hörte man ein energisches »Pst«.
»Es war mir klar, daß ich mich stellen müßte. Und das wollte ich nun tun. Aber es ist vorgezeichnet, daß ich meinem Schicksal nicht entgehen kann … Es kam ein Gendarm …«
»Haben Sie Feinstein nicht getötet?«
Basso sah Maigret mit brennendem Blick an.
»Ich habe ihn getötet«, sagte er leise und zögernd. »Das Gegenteil zu behaupten wäre Irrsinn, nicht wahr? Aber ich schwöre Ihnen beim Leben meines Sohnes, daß ich Ihnen die volle Wahrheit sagen werde …«
»Einen Augenblick.« Maigret erhob sich nun auch. Sie waren zwei ungefähr gleich große Männer, für die die Decke zu niedrig war, auch der Raum zu eng.
»Haben Sie Mado geliebt?«
Basso verzog den Mund.
»Sie als Mann sollten es verstehen. Vor sechs, sieben
Jahren habe ich sie kennengelernt. Ich habe ihr nie einen Gedanken geschenkt, bis vielleicht vor einem Jahr. Ja, wie war es gekommen? Man hatte getanzt, getrunken … ich hatte sie geküßt … und so weiter …«
»Und dann?«
Er zuckte müde die Achseln.
»Sie nahm es ernst, schwor, daß sie mich immer geliebt habe, daß sie ohne mich nicht leben könnte. Man ist kein Heiliger. Ich kann nicht leugnen, daß ich den Anfang gemacht habe … aber an eine Bindung habe ich nie gedacht … nie an eine Gefährdung meiner Ehe …«
»Seit einem Jahr haben Sie also die Dame regelmäßig in Paris getroffen?«
»Ja, und ich habe sie täglich am Telefon gehabt. Vergebens habe ich sie gebeten, vernünftig zu sein. Sie fand die lächerlichsten Vorwände, so daß mir schließlich klar wurde, daß die Sache nicht länger geheimzuhalten sei. Es war unvorstellbar! Wäre sie doch wenigstens unaufrichtig gewesen! Aber ich glaube, sie liebte mich ernstlich …«
»Und Feinstein?«
Basso hob
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