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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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einen Toten, der sich mit ihm im Wagen befunden hatte. Er trug ihn bis ans Wasser und warf ihn an einer tiefen Stelle hinein.
      Vielleicht hätte man nie etwas davon erfahren, wenn nicht zwei Strolche zufällig Zeugen der Szene gewesen wären. Sie hießen Lenoir und Victor Gaillard …
      Es kam ihnen nicht in den Sinn, die Polizei zu verständigen. Sie zogen es vor, sich ihre Entdeckung zunutze zu machen. Sie suchten also den Mörder auf und erpreßten ihn in regelmäßigen Zeitabständen um größere und kleinere Summen.
      Da sie aber noch Anfänger waren, begingen sie den Fehler, sich nicht abzusichern, und eines schönen Tages war ihr Bankier verschwunden …
      Das ist alles. Das Opfer hieß Ulrich, ein alleinstehender jüdischer Trödler, der nicht einmal vermißt, geschweige denn gesucht wurde.«
      Maigret stopfte langsam seine Pfeife, ohne seinen Zuhörern einen Blick zu schenken, was er übrigens auch im weiteren Verlauf seiner Rede nicht tat.
      »Sechs Jahre später führte der Zufall Lenoir mit dem Mörder wieder zusammen. Aber es blieb ihm nicht die Zeit, die Begegnung auszunutzen. Denn ein Verbrechen, das er in der Zwischenzeit begangen hatte, trug ihm ein Todesurteil ein.
      Bitte, hören Sie mir aufmerksam zu! Wie gesagt: Am Abend vor seiner Hinrichtung erzählte er mir etwas, das es mir ermöglichte, meine Nachforschungen auf einen bestimmten kleinen Kreis zu beschränken. Er hatte übrigens auch seinem früheren Kameraden einen Wink gegeben, der sich daraufhin in Bewegung setzte. Sein Ziel war die Pinte …
      Dies ist sozusagen der zweite Akt. Bitte, unterbrechen Sie mich nicht, James. Dasselbe gilt für dich, Victor.
      Um auf den Sonntag zurückzukommen, an dem Feinstein den Tod fand … an diesem Tag befand sich auch Ulrichs Mörder in der Pinte. Entweder war es Basso oder James oder Feinstein oder irgendein anderer.
      Nur einer kann uns darüber Auskunft geben: Victor Gaillard, der hier unter uns ist!«
      Gaillard wollte den Mund öffnen, aber Maigret fuhr ihn an:
      »Du hast zu schweigen!«
      Dann fuhr er etwas milder fort:
      »Victor Gaillard aber, der ein Schlauberger und zugleich ein Lump ist, hat nicht die geringste Lust, sein Wissen unentgeltlich auszuliefern. Er verlangt dreißigtausend Franc. Vielleicht würde er sich fünftausend Franc abhandeln lassen. Sei still, zum Teufel! Lassen Sie mich zum Ende kommen …
      Derartige Prämien sieht unser Etat nicht vor. Wir können nicht mehr für Gaillard tun, als ihn wegen Erpressung unter Anklage zu stellen.
      Was nun den Schuldigen betrifft, so sind alle an jenem Sonntag in der Pinte anwesenden Gäste männlichen Geschlechts verdächtig. Allerdings nur mehr oder weniger. Es ist zum Beispiel erwiesen, daß Basso Ulrich gekannt hat, ebenso Feinstein, den noch dazu Ulrichs Tod davor bewahrte, den sehr erheblichen Betrag zu bezahlen, den er ihm schuldig war.
      Feinstein ist tot … Es ist erwiesen, daß er eine keineswegs untadelige Persönlichkeit war.
      Hat er Ulrich getötet, dann wird die Strafverfolgung hinfällig, dann muß der Fall ad acta gelegt werden …
      Victor Gaillard könnte uns weiterhelfen, aber ich habe nicht das Recht, auf seinen Erpressungsversuch einzugehen.
      Schweig! Du wirst reden, wenn du gefragt wirst.«
      Maigret betrachtete noch immer seine Schuhe. Er hatte seinen Bericht vor sich hin gesprochen wie eine auswendig gelernte Lektion.
      Plötzlich ging er zur Tür und sagte leise:
      »Ich komme wieder … muß dringend telefonieren …«
      Die Tür hinter ihm wurde geschlossen. Man hörte Schritte, die sich über die Treppe entfernten.

    11

    Ulrichs Mörder

    H allo! In etwa zehn Minuten, Herr Untersuchungs
          richter. Wer? Das weiß ich noch nicht. Ich versichere es Ihnen. Sie wissen, daß ich mit solchen Dingen nicht spaße …«
      Er legte den Hörer auf, lief nachdenklich hin und her und sagte zu Jean, dem Bürodiener:
      »Ich reise übrigens heute abend ab und bleibe einige Tage fort. Hier ist die Adresse, wo ich zu erreichen bin …«
      Er sah mehrmals auf die Uhr und entschloß sich endlich, die drei Männer in der Zelle wieder aufzusuchen.
      Das erste, was ihm auffiel, war das haßerfüllte Gesicht des Landstreichers, der nicht mehr auf der Pritsche saß, sondern wütend hin- und herraste. Basso saß auf dem Pritschenrand und hielt seinen Kopf in den Händen.
      James lehnte mit gekreuzten Armen an der Wand und begrüßte

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