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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Mut aufzuhören … man fürchtet Tränen, vielleicht auch Drohungen … bis das Ende mit Schrecken da ist …«
      Von der Außenwelt waren nur noch die Bäume zu sehen, die im Lichtkegel der Scheinwerfer auftauchten. Maigret stopfte seine Pfeife und bot Basso den Tabaksbeutel an:
    »Danke. Ich rauche nur Zigaretten.«
      Welch eine Wohltat, gleichgültige Dinge, alltägliche Phrasen sagen zu können!
      »In Ihrem Schreibtisch befindet sich doch aber ein ganzes Arsenal von Pfeifen.«
      »Von früher. Ich war ein leidenschaftlicher Pfeifenraucher. Meine Frau hat es mir abgewöhnt.«
      Ihm versagte die Stimme. Da Maigret einen neuen Weinkrampf voraussah, fügte er schnell hinzu:
      »Ihre Sekretärin scheint Ihnen sehr ergeben zu sein.«
      »Sie ist eine gute Seele. Ist das arme Wesen nicht ganz außer sich?«
      »Ich glaube eher, daß sie zuversichtlich ist … Sie fragte mich jedenfalls, wann Sie zurückkehren. Ich glaube, Ihre ganze Umgebung ist Ihnen sehr zugetan.«
      Wieder Schweigen. Sie fuhren durch Juvisy. In Orly fegten die Scheinwerfer des Flugplatzes über den Himmel.
      »Haben Sie Feinstein Ulrichs Adresse gegeben?«
      Die Frage schien Bassos Mißtrauen zu wecken. Er gab keine Antwort.
      »Feinstein hat sich wiederholt an den Wucherer gewandt. Der Name findet sich oft in seinen Büchern, und auch die Summen sind verzeichnet. Als der Mord geschah, schuldete ihm Feinstein mindestens dreißigtausend Franc.«
      Nein, Basso wollte nicht antworten. Er schwieg hartnäckig weiter.
      »Was ist Ihr Schwiegervater?«
      »Er ist Lehrer an einer höheren Schule. In Nancy. Auch meine Frau hat eine höhere Schule besucht.«
      Das Drama schien sich zu nähern oder zu entfernen, je nach den Worten, die fielen. Zuweilen sprach Basso mit seiner gewohnten Stimme, als hätte er seine Situation vergessen. Dann wieder lag auf dem Schweigen der Druck von unausgesprochenen Dingen.
      »Ihre Frau hat recht. Was den Fall Feinstein betrifft, haben Sie Aussicht, mit einer geringen Strafe davonzukommen. Im Höchstfall riskieren sie ein Jahr. Der Fall Ulrich dagegen …«
      Und ohne Übergang:
      »Die Nacht können Sie im Arrestlokal der Kriminalpolizei verbringen. Über das Weitere wird dann morgen entschieden.«
      Maigret klopfte seine Pfeife aus und schob das Fenster zurück, um dem Chauffeur zu sagen:
      »Quai des Orfèvres. Sie fahren in den Hof.«
      Es verlief alles ganz einfach. Maigret ging mit Basso bis zur Tür der Zelle, die auch Victor beherbergt hatte. Er sah sich um, ob alles so war, wie es sein sollte, und sagte:
      »Gute Nacht. Ich sehe Sie morgen. Denken Sie nach, ob Sie mir etwas zu sagen haben …«
      Vielleicht war Basso zu erregt, um sprechen zu können. Jedenfalls schüttelte er nur den Kopf.

    ankomme donnerstag. bleibe einige tage. küsse.

    Dieses Telegramm sandte Maigret am Mittwoch an seine Frau. Er ließ es von Jean zur Post bringen.
      Wenige Augenblicke später rief ihn der Untersuchungsrichter an, der den Fall Feinstein bearbeitete.
      »Ich hoffe, Ihnen heute abend die Akten übergeben zu können«, sagte der Kommissar. »Natürlich auch den Schuldigen. Nein, keineswegs. Ein ganz klarer Fall …«
      Er ging hinaus und begab sich ins Büro der diensttuenden Polizeibeamten, wo Lucas dabei war, einen Bericht zu verfassen.
      »Unser Landstreicher?«
      »Dubois hat mich abgelöst. Übrigens nichts Besonderes. Victor hat weiter in den Räumen der Heilsarmee gearbeitet, war anscheinend mit Ernst bei der Sache. Er hatte von seiner Lunge gesprochen und damit Eindruck gemacht. Man hält ihn wohl für einen diensttauglichen Rekruten … und man hatte vor, ihn in etwa einem Monat in die Armee aufzunehmen …«
      »Wieso?«
      »Dann kam der Knalleffekt: Gestern abend hat ihm ein Offizier irgendeinen Auftrag gegeben. Er hat den Gehorsam verweigert und geschrien, es sei eine Schande, einen schwerkranken Mann zu schinden. Als man ihm sagte, er solle verschwinden, kam es zu einer Schlägerei. Man mußte ihn mit Gewalt vor die Tür setzen. Die Nacht hat er unter dem Pont-Marie verbracht, und jetzt sitzt er auf einer Bank am Kai. Dubois wird Ihnen bald Bericht erstatten.«
      »Ich werde für einige Tage verreisen. Sag ihm, er soll den Mann festnehmen und ihn in dieselbe Zelle setzen, in der sich bereits jemand befindet.«
      »Wird besorgt.«
      Maigret begab sich in seine Wohnung, wo er bis Mittag seine Reisevorbereitungen traf.

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