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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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ordentliche Summen geflossen, auch für die Ärzte und das Personal ... aber auf Dauer geht es nicht, nein, aufDauer natürlich nicht ...« Er schien den Faden verloren zu haben.
    »Das bedeutet doch einen erheblichen Schaden für SILIV, wenn es rauskommt?«
    Wurtz lachte auf. Dann beugte er sich vor, hatte Mühe, die Stimme weit genug zu senken.
    »Du hast das Talent zum Komiker, Semmler, hast du das gewusst? Erheblicher Schaden! Für was hältst du die SILIV AG? Wir sind doch nicht Novartis oder Pfizer ...«
    »Soll heißen?«
    »Es geht uns schlecht, Semmler. Der SILIV AG geht’s schlecht ... Wir sind nur eine bessere Mittelstandsbude, und leben tun wir von Methranon! Dafür läuft nächstes Jahr das Patent ab ...«
    Methranon war ein gut eingeführter Betablocker. Von allen Branchen war Semmler die Pharmaindustrie immer besonders langweilig vorgekommen; schon wegen der lachhaften Phantasienamen, die man glaubte, den Produkten geben zu müssen. Methranon. Es gab eigene Abteilungen, die sich die Namen ausdachten. Was sollte das heißen: Methranon?
    »Habt ihr denn nichts anderes in der Pipeline?«
    »Ich kann dieses idiotische Wort nicht mehr hören! Pipeline – da denkt man an ein dickes Rohr, aus dem es nur so raussprudelt. Quatsch! PZ 405 – das hatten wir in der Pipeline. Dahinter ist es trocken.«
    Nun sickerte die Erkenntnis bei Semmler allmählich durch. Die waren auf dem Weg ins Aus.
    Das war keine Neuigkeit, die Semmler überraschte. Der Aktienkurs der »Siegfried und Linda Vogel AG« war seit einigen Jahren auf einem von wilden Ausschlägen begleitetenWeg nach unten, sanft, aber stetig. Das lag nicht an den Produkten, sondern an den Managementfähigkeiten der Geschäftsleitung, die nur ein bisschen besser waren als die der »Opholzer GmbH«. Das genügte nicht. So rangen bei SILIV nach dem Ausscheiden der Gründergeneration der weiße Ritter der Pharmainnovation mit dem schlammgrauen Monster des ökonomischen Schwachsinns; der Kurs richtete sich danach, welcher von beiden gerade die Oberhand hatte. Das Monster wurde als Favorit gehandelt. Ein einziger, gut plazierter Tiefschlag würde es zum Sieg führen. Wenn nicht ein Wunder geschah.
    »Wir sind pleite, Semmler. Nicht heute und nicht in vierzehn Tagen, aber am Ende läuft es darauf hinaus. Die SILIV AG ist Geschichte. Deshalb müssen wir es diesmal richtig machen. Ein großer Schnitt, verstehst du?«
    »Woran denkst du dabei?«
    »Long Put, ganz einfach.«
    »Wo steht ihr jetzt?«
    »Bei zweiundneunzig, um den Dreh. Der Fünfundachtziger Put etwa bei acht.«
    »Wie stark wird die Aktie fallen?«
    »Keine Ahnung. Wenn es ganz wild kommt, auf die Hälfte.«
    »Grob gerechnet fällt die Aktie also auf sechsundvierzig, Basispreis ist fünfundachtzig, macht eine Differenz von neununddreißig, abzüglich der Prämie von acht, sind einunddreißig. Bei einem Kontrakt über hundert Stück macht das dreitausendeinhundert ...«
    »... bei einem Einsatz von achthundert, ja. Fast vierhundert Prozent Gewinn.«
    Schweigen senkte sich über den Tisch. Jeder sah in eineandere Richtung. Nach einer Weile sagte Semmler: »Wo ist der Haken?«
    »Es gibt keinen Haken, mein Lieber!« Wenn sich Wurtz zu dieser emotionalen Anrede verstieg, war er sehr aufgeregt. Aber warum? Kleine Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. Jetzt fiel Semmler auch auf, dass sein Gegenüber noch nichts gegessen hatte. Sonst bestellten sie sich immer Schinken-Käse-Toast, der war ungewöhnlich gut im »Moosmann«. Semmler rief nach der Bedienung.
    »Willst du nichts? Ich glaube, ich könnte eine Kleinigkeit vertragen ...«
    »Danke, mir ist nicht nach Essen. Hör zu, es kann sein, dass ich mich zu vorsichtig ausgedrückt habe ...« Er blickte auf, weil die Bedienung an den Tisch getreten war. Semmler bestellte ungeachtet der Ablehnung des Dr. Wurtz zwei Schinken-Käse-Toasts und ein Bier. Als die Frau gegangen war, sagte er: »Unterbrich mich, wenn ich was Dummes sage – aber vierhundert Prozent sind dann eher die untere Grenze?«
    »Das kannst du annehmen. Und deshalb ist das auch keine Nummer, wo man so nebenbei ein paar Tausender riskiert und ein paar dazu einsackt. Es geht um meine Existenz, Semmler.«
    »Also, jetzt mach aber einen Punkt. Du bist doch ... !«
    »... nein, hör einfach zu, ja? Ich habe lang darüber nachgedacht. Es bleibt nur diese Lösung.«
    »Was für eine Lösung?«
    »Ganz großer Schnitt, Riesenreibach! Dieses eine Mal, dann ist es aus, dann bin ich sowieso weg vom

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