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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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anders sein. Er ließ ihr keine Chance, ihn von seinem Plan abzubringen.
    Sein Privatkundenberater Baumann sah braungebrannt aus. Er sah das ganze Jahr so aus. Und zeigte diesen zweifelnden Gesichtsausdruck, als er ihm von dem Plan erzählte. Das bedeutete nichts, den zeigte er immer, auch, wenn er selber seinem Kunden etwas empfahl, sogar, wenn er vom letzten Urlaub erzählte. Als traue er den eigenen Worten nicht. Sein Widerstand gegen Koslowskis Plan blieb schwach.
    »Einen todsicheren Tipp? Was glauben Sie, Herr Koslowski, wie oft ich das hier drin schon gehört habe!«
    Reine Angeberei. So viele Kunden hatte Baumann nicht, dass er oft von einem »todsicheren Tipp« hätte hören können, schon gar nicht bei den Krämern und Groschenzählern, die seine Klientel ausmachten. Die Abwesenheit Ursulas wirkte sich positiv aus; sie hätte Baumanns Partei ergriffen. Automatisch, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken. Und er hätte nachgegeben. Aber Ursula war nicht da und Koslowski unerbittlich.
    Er ließ alle vier Sparbücher räumen und das Geld auf das Verrechnungskonto übertragen. Und gab Order, Aktien derSILIV AG »bestens« zu kaufen. So viele wie möglich. Baumann nahm den Auftrag schweigend entgegen. Enthielt sich der negativen, runterziehenden Bemerkungen, die er sonst jeder finanziellen Transaktion, und sei sie noch so unbedeutend, beizufügen pflegte. Der Mann war untragbar und saß nur deshalb auf seinem Stuhl, weil er mit einem der Bankdirektoren verwandt war; in Wien, dachte Koslowski, wäre das nicht möglich, einen Menschen mit so einer unmöglichen Art im Privatkundengeschäft einzusetzen; schon in Innsbruck hätten sie ihn in der Registratur verschwinden lassen, aber hier ... Provinz. Damit würde auch Schluss sein, beschloss er. Sobald die Sache über die Bühne war, würde er die Bank wechseln.
    Als ihm Baumann dann mit ernstem Lächeln die Hand gab, gestand er sich ein, dass er seinetwegen hergekommen war. Das Geld hätte er am Schalter abheben, die Kauforder telefonisch durchgeben können – aber er hatte auf Baumanns Äußerungen gewartet, um sie sich zu merken, jedes einzelne Wort. Und sie ihm dann, wenn alles gut gelaufen war, vorzuhalten. Aber Baumann war still geblieben. Ein Hochgefühl erfüllte Koslowski. Das konnte nur bedeuten, dass dieser Bankberater, sobald sich die Tür hinter dem Kunden mit den hervorragenden Insiderinfos geschlossen hatte, seine eigenen Geschäfte in Gang setzen würde. Wahrscheinlich rief er gleich einen Strohmann an, den Schwager oder so, und ließ auf Teufel komm raus SILIV-Aktien kaufen.
    Der wahre Grund für Baumanns Schweigen hätte Koslowski irritiert. Baumann dachte schon seit Tagen nicht mehr über die idiotischen Pläne seiner Kunden nach, sondern über die bevorstehende Aufweitung eines verstopftenHerzkranzgefäßes, die man an ihm vorzunehmen gedachte. Um die Angina pectoris zu heilen, an der er seit fünf Wochen litt. Daran leiden tat er natürlich schon viel länger, wie ihm der Internist versichert hatte, aber vor fünf Wochen war er zum Arzt gegangen. Am kommenden Dienstag hatte er den Termin im Krankenhaus Feldkirch. Da er ein wenig zur Hypochondrie neigte, hatte er sich aus dem Internet Informationen über diese Operation besorgt. Die beschäftigten ihn unausgesetzt; er machte sich Sorgen.
    Die Operation, das wollen wir festhalten, verlief ohne die geringste Komplikation und erfolgreich. Baumann machte sich dann auch Vorwürfe wegen Koslowski. Er kannte ihn ja. Das war ein Mann mit »mehr Angst als Vaterlandsliebe«, wie Baumanns Oma gesagt hätte, die aus dem Sudetenland stammte. Denn Baumann war durchaus fähig. Und er war auch nicht mit einem der Direktoren verwandt, die Namensgleichheit rein zufällig. Er kannte seine Klientel, vor allem ihre Begrenzungen. Er hatte in zahllosen Fällen durch seine zugegebenermaßen etwas ruppige Art die Kunden vor finanziellen Abenteuern bewahrt, was sich in einer makellosen persönlichen Bilanz spiegelte: In zwanzig Jahren war ihm kein einziger Kredit faul geworden. Was seinen Schwager betraf, so redete er mit ihm seit der Scheidung von Jeanette kein Wort mehr, auch mit niemandem sonst aus der Familie seiner Frau, und Koslowskis Gedanke, seinen Schwager als Strohmann für Spekulationen zu benutzen, hätte ihn laut auflachen lassen (Baumann lachte selten). Diesen Menschen, der es fertigbrachte, mit einer gut eingeführten Tankstelle in bester Lage Pleite zu machen, hätte er nicht einmal dann beauftragt, wenn

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