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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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bei ihm geblieben wäre, wenn sie nach Zürich gefahren wären oder sogar nach Locarno, dachte er später, dann hätte er Wurtz fragen können, wie er die Dinge sah, einen anderen Eindruck gewonnen von allem. Das, so dachte er, hätte verhindert, dass er auf diese Idee kam, auf die er eben kam, sobald er allein im Auto saß und vom Parkplatz des Café Moosmann in Altach auf die Gemeindestraße fuhr.
    Die Idee hatte mit Koslowski zu tun. Wenn nämlich schon er selber und Wurtz, das arme Schwein, weder Format noch Niveau hatten, dann galt dies umso mehr für diesen impertinenten Chemiker, der die unangenehme Eigenschaft der Bauernschläue, einer Art primitiver Gerissenheitgeradezu idealtypisch verkörperte. Auf der Fahrt durch die Gemeinde Altach wuchs sein Ärger über Koslowski, er konnte ihn nicht unterdrücken. Die widerwärtige Mischung aus Frechheit und Unterwürfigkeit – eine Schicht klebrigen Schleims, darunter ein spitzer Stachel. Vor der Tür warten wie ein Lakai. Dann aber gleich nach einem Tipp fragen. Und dann das goldene Feuerzeug nehmen. Ein Tipp. Dem Manne kann geholfen werden!
    Er fuhr auf den Parkplatz eines Supermarkts, suchte Koslowskis Nummer und rief ihn an. Koslowski war selber schuld, der hatte ihm seine Nummer aufgedrängt, und er hatte sie ins Handy eingetippt, wie er das bei allen Nummern machte, ein halb automatischer Vorgang. Warum hatte ihm Koslowski die Nummer gegeben? Doch nur in der Hoffnung, von Semmler irgendwann einmal angerufen zu werden – also wohl auch in der Hoffnung, dass es sich der Schulfreund überlegen und doch noch mit einem finanziellen Ratschlag rüberkommen würde – so dachte Semmler, als er die Nummer wählte.
    Und Koslowski war auch schuld, weil er sein Handy immer eingeschaltet hatte und ständig bei sich trug. Semmler war sicher: hätte sich die Mailbox gemeldet, dann hätte er nichts gesagt. Gar nichts. Er hätte aufgelegt. Aber Koslowski, getrieben von der Angst, irgendetwas zu versäumen, nahm den Anruf entgegen. Semmler sagte ihm, was er sagen musste. Dass die SILIV AG ein heißer Laden sei, weil dort eine Übernahme ins Haus stehe, wovon kaum noch jemand wisse, weshalb er, Koslowski, wenn er zu Geld kommen wolle, schnell handeln müsse, sehr schnell, bevor die Rallye beginne! Koslowski war überrascht, stotterte Dankesworte, Semmler beendete den Anruf mit der Bemerkung, sie müsstenihren Kontakt nun fürs erste aufgeben, vor allem am Telefon, man wisse ja nie ...
    Die ganze Strecke nach Hause lachte Semmler vor sich hin.
     
    D er Boden unter den Füßen fühlte sich an wie Watte, schien jedem Schritt nachzugeben. Es war kein unangenehmes Gefühl, er hatte nur nie geglaubt, dass diese Phrase »wie auf Wolken gehen« dem sinnlichen Eindruck so entsprechen würde, hatte das für blöde Übertreibung gehalten. Jetzt freute er sich. So sehr, dass ihm die Intensität des Gefühls die Luft nahm, er atmete stoßweise, war mit Luft vollgepumpt wie ein Ballon, dabei grinste und kicherte er vor sich hin; ich muss da wieder runter, dachte er, so kann ich nicht unter Leute.
    Nach einem Cognac war es besser. Karin war in der Schule, Ursula hatte heute ihren »Damentag«, an dem sie sich mit Freundinnen in der Stadt traf, das war gut, er hätte sonst erklären müssen ... das wäre nicht gut. Denn sie würde nicht billigen, was er nun tun wollte, tun musste. Er nahm die Sparbücher aus dem kleinen Tresor im Keller und fuhr zur Bank. Es gibt keine Zufälle, dachte er. Dass ihn Semmler gerade heute angerufen hatte, war Fügung. Er hatte drei Tage Urlaub genommen, um den Garten in Schwung zu bringen; wie hätte er in der Firma auf den Anruf reagiert? Er wäre zu nichts Vernünftigem mehr imstande gewesen, hätte alle fünf Minuten auf die Uhr geschaut und zu grübeln angefangen. Ja, das hätte er. Und dann – er kannte sich gut genug – hätte er Ursula alles erzählt. Und Ursula hätte Einwände gehabt. Nein, nein, keinBlödsinn, den man beiseite schieben, sondern begründete Einwände, die man einfach nicht negieren konnte. Und dann? Dann hätte er angefangen zu zweifeln. Und die Sache zwei Nummern runter geschraubt, vorsichtig. Jedes Mal war das so. Beim Kauf des Grundstücks, beim Hausbau, bei Investments. Immer schön auf der sicheren Seite bleiben. Danach ärgerte er sich immer, nicht über sie: Sie war eben so, sie konnte nichts dafür. Über sich selbst ärgerte er sich: dass er so war. Dass er jedes Mal auf sie hörte. Dieses Mal, dieses eine Mal würde es

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