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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Lenkrad, wodurch zwei Rippen angebrochen wurden, und dann mit dem Kopf gegen die Frontscheibe, was zu einer schweren Gehirnerschütterung bei ihm und bei der Scheibe zum Bruch führte. Bremsspurenfand die Polizei keine, schätzte die Aufprallgeschwindigkeit des Hilux auf mindestens vierzig km/ h. Koslowski war auf Bellmeyer aufgefahren, der an der Einmündung in die Dr. Anton Schneider Straße angehalten hatte, um den Querverkehr vorbeizulassen. Den gab es zwar nicht (was ein Glück war, denn Koslowski schob den Kombi bis zur Mitte der Querstraße), aber Bellmeyer war ein vorsichtiger Fahrer vom alten Schlag und hielt öfter und länger an als jüngere Verkehrsteilnehmer dies für nötig erachten. In diesem Fall wäre eine etwas zügigere Fahrweise von großem Nutzen gewesen; der zuständige Psychologe mutmaßte, Koslowski hätte dann den Wagen Bellmeyers verfehlt und wäre quer über die Dr. Anton Schneider Straße in einen Maschendrahtzaun gefahren, der das Bahn- vom Straßengelände trennte und sogar beim Durchstoßen dieses Hindernisses in einem Graben gelandet, aus dem erst der Bahndamm sich erhob; kurz: aufs Gleis und damit in große Gefahr wäre er nicht gekommen. So wären Koslowski zwar nicht seine Verletzungen, Bellmeyer aber der Schock, von hinten gerammt zu werden, erspart geblieben. Denn Koslowski, so führte er weiter aus, sei in einem Zustand »hochgradiger Absenz«, wie er mit Anfallsleiden einhergehe, einfach stur geradeaus gefahren, »ohne auf die Erfordernisse des Straßenverkehrs angemessen reagieren zu können«. Diese Einschätzung war für Koslowski fatal, so dass er später bedauerte, nicht vor Fahrtantritt an jenem Morgen ein paar Obstler gekippt zu haben. Dann wäre der Führerschein zwar auch weg gewesen, der ganze Rattenschwanz mit Nachschulung und Psychotest hätte sich auch nicht vermeiden lassen, wohl aber das Getuschel in seiner Firma. Besoffen Autofahren und einen Unfall bauen, wenn man eben zweihunderttausendan der Börse verzockt hat, ist eine gute, verständliche Geschichte. Aber ohne Alkohol einen Unfall verursachen, wenn man eben zweihunderttausend verzockt hat, bedeutet, dass man einen Knacks weg hat, der eben nicht beim Nüchternwerden verschwindet, sondern auf eine tiefliegende Störung hinweist, die an der Fähigkeit des Betroffenen, die Aufgaben eines Abteilungsleiters in einem Chemiebetrieb verantwortlich zu meistern, erhebliche Zweifel aufkommen lässt, und so weiter und so fort; Koslowski hat man das auf den Kopf auch so zugesagt. Die große Umstrukturierung, von der seit zwei Jahren gesprochen wurde, hätte ihn nicht unbedingt die Stelle gekostet, aber diese Psychokiste hat die Sache dann für den Personalchef doch vereinfacht.
    Koslowski bekam, in Relation zu dem, was in seiner Firma üblich war, eine sehr anständige Abfindung.
    Als Semmler zwei Tage später aus seinem Kurzurlaub zurückkehrte, lagen diese Entwicklungen noch im Schoße der Zukunft; die Gegenwart stand unter dem Schock der Ereignisse. Bellmeyer, bis dato vierzig Jahre unfallfrei gefahren, sowieso, obwohl man ihn schon am nächsten Tag aus dem Spital entlassen hatte. Er litt an nichts außer dem typischen Schleudertrauma, doch er war danach nicht mehr der Alte. Er wurde nachlässig. Zum Beispiel vergaß er, Semmler zu informieren. Der dachte, als er beim Einbiegen in die Garage den leeren Platz sah, der Carina sei noch in der Werkstatt. Auf dem Weg ins Haus überlegte er die Neuanschaffung eines Gebrauchsautos für Bellmeyer; mit dem Toyota jetzt herumzudoktern, kam nicht in Frage, er hatte ihn viel zu lang behalten, aber so ist das mit manchen Autos, sie halten und halten und mit einem Mal bricht alles gleichzeitigzusammen, sie altern mit einem Schlag ... und mit manchen Menschen, schoss es ihm durch den Kopf, als er Bellmeyer im Flur erblickte, ist es genau so. Bellmeyers weiße Haare, sonst mit einem stark riechenden Gel an den Schädel geklatscht, standen in struppigen Büscheln vom Kopf ab, um den Hals trug er eine röhrenförmige Plastikhalterung, an den Beinen eine ausgebeulte Cordhose, die Semmler noch nie an ihm gesehen hatte. Es war kein schöner Anblick. Die Hose nicht, das Hemd nicht, das an der Seite heraushing, Bellmeyers Haare nicht, der ganze Bellmeyer nicht.
    »Unfall«, sagte Bellmeyer mit dumpfer Stimme. Dann rülpste er. Im Flur roch es nach Schnaps.
    »Mit dem Carina?«
    »Totalschaden, einer ist mir ...«
    »Um Gottes Willen, sind Sie verletzt? Wann ist das passiert?«
    »Vor zwei

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