Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
Vom Netzwerk:
würde, nicht. Aber das Gespräch mit Dr. Breuss fand einen Tag nach dem Gespräch mit Dr. Notdurfter statt. Beide Unterredungen hatten merkwürdige Parallelen: Firmenchef Notdurfter und Anwalt Breuss verlangten von ihm Verzicht. Scheidung und Kündigung. Er musste nicht einwilligen. Dann gäbe es gerichtliche Auseinandersetzungen,deren Ausgang ungewiss war. In beiden Fällen. Koslowski begriff, dass sein automobiles Ausrasten nur den Vorwand geliefert hatte, ihn aus der Firma zu entfernen. Man huldigte dort neuen Beratern, die in der Reduktion des Personals im Allgemeinen und im Abbau personeller »Altlasten« im Besonderen in Zeiten verstärkter Konkurrenz das Heil einer gedeihlichen Entwicklung sahen. Also musste er weg. Achtzehn Gehälter Abfindung und die Mitnahme des vom Betrieb eingezahlten Teils der Firmenpension – davon konnte er auch bei peinlichster Bedürfniseinschränkung die Zeit bis zum Pensionsantritt nicht überstehen, wohl aber ein paar Jahre. Vorausgesetzt, er könnte mietfrei wohnen. Dies wiederum war Bestandteil der von Dr. Breuss vorbereiteten Einigung im Scheidungsverfahren. Er behielte das Haus. Und den Hilux. Und bekäme tausend extra. Pro Monat. Ja, von seiner Exfrau Ursula. Als er an diesem Punkt von dem Schreiben aufsah, das Dr. Breuss aufgesetzt hatte, brauchte der nicht zu fragen, welche Klausel das Koslowskische Erstaunen ausgelöst hatte.
    »Fragen Sie mich nicht!«, sagte der Anwalt. »Diese Dinge sind alle nicht von mir. Sie sind, das darf ich sagen, unüblich. Ich habe sie auf ausdrücklichen Wunsch meiner Mandantin hinein genommen. Es sind außerordentlich großzügige Bestimmungen. Es dürfte Ihnen aufgefallen sein, dass keine zeitliche Begrenzung angegeben ist ...«
    »Herr Semmler«, sagte Koslowski mit großer Ruhe, »will mir also meine Frau abkaufen. Für ein halbes Haus und tausend Euro Leibrente – ach ja, sogar wertgesichert! Gesalzene Preise, muss man wirklich sagen. Ich glaube, in den anderen Gegenden, wo das sonst noch üblich ist, hätte ich nicht so einen Reibach gemacht – vier Kamele oder waren es fünf?Ich hab da eine Dokumentation auf N 24 gesehen. So ein Kamel, was kann das kosten, umgerechnet? Wissen Sie das, Dr. Breuss?«
    Dr. Breuss schüttelte den Kopf und verzog keine Miene. Wenn Männer in diesem Büro einen heiter sarkastischen Ton anschlugen, empfahl es sich, nicht darauf einzugehen. Manche fingen an zu weinen und andere, herumzubrüllen, wenn nämlich ihr Vorrat an heiterem Sarkasmus erschöpft war. Männer, die geschieden wurden, neigten dazu, diesen Vorrat zu überschätzen. Geschieden zu werden war eben kein Auffahrunfall, den die Versicherung regelte, sondern ein Treffer mit einer Panzerfaust. Da regelt niemand etwas. Dr. Breuss wunderte sich nur immer wieder, wie lang die Opfer es überlebten.
    »Ich willige ein«, sagte Koslowski, »ich willige frohen Herzens ein! Wo muss ich unterschreiben?«
    Zu diesem Zeitpunkt lag Koslowskis »Ja« an Notdurfter schon in der Vergangenheit, das zweite fiel ihm leichter, was ihn wunderte, weil das »Ja« zum Vorschlag Ursulas (also Semmlers) persönliche Erniedrigung bedeutete. Dennoch unterschrieb er. Spontane Entscheidung. Dem Gesicht des Anwalts war anzusehen, dass er den Ehemann für genau so verrückt hielt wie die Frau. Sie bot Zahlungen an, wodurch sie die gegnerische Partei praktisch aufforderte, noch mehr zu verlangen – aber das machte nichts, denn die gegnerische Partei akzeptierte, ohne einen Rechtsberater zu konsultieren; die eine Idiotie kompensierte die andere.
    Für Koslowski war die Sache entschieden, als er die magischen Worte »tausend Euro« las. Das hob ihn von der Stufe der Nichtexistenz auf die der Existenz. Nur darum ging es: da zu bleiben, im Spiel zu sein. Denn bei dem Anschlagwar es nicht um die Zerstörung von Sachen gegangen, sondern um die Auslöschung zweier Menschen. Er hatte sie beide zu Asche brennen wollen; er musste sich dies laut vorsagen, weil er es umso weniger glaubte, je weiter es zurücklag. Das Überraschendste an der Sache war nicht der Verrat der Frau oder des Freundes – beide, Frauen, wie Freunde, sind so, man kann es in Romanen lesen und im Kino sehen –, sondern seine eigene Tat: dass er dazu fähig gewesen war, sie durchgeführt hatte. Ohne Zögern, ohne Abwägen des Für und Wider. Aus einem reinen, heiligen Zorn heraus.
    Viele Menschen trauen sich die Taten, die sie in der Not vollbringen, nicht zu. Springen in schäumende Wildwasser, um ein Kind zu

Weitere Kostenlose Bücher