Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
drehte den mittleren Knopf nach rechts, woraufhin der hölzerne Spieß an der Spitze hervorschnellte, und begann damit wild um sich zu hauen und zu stechen. Sie wagte nicht, das lapis solaris einzusetzen, um keinem der Schauspieler Schaden zuzufügen.
Prudence, die vor dem Durcheinander ursprünglich Zuflucht unter einem kleinen Tisch gesucht hatte, kam bei Ivys entsetztem Schrei hervorgekrochen. Sie griff den Vampir an, der Mrs Tunstell attackierte, und schlug ihm mit ihrer winzigen Faust gegen den Knöchel. Der Kontakt reichte aus, um aus ihr einen Vampir und aus ihm keinen mehr zu machen. Wirkungslos knabberte er an Ivys blutigem Hals, und Prudence verwandelte sich in einen verschwommenen Wirbel aus aufgeregtem Kind und übernatürlichen Fähigkeiten. Allerdings war sie von sehr wenig Nutzen, da sie einfach nur herumflitzte, ohne sich ihrer eigenen Kraft bewusst zu sein. Sie schleuderte jeden beiseite, ob nun Vampir, Drohne oder Schauspieler.
Ivy brach zusammen. Es gelang ihr zwar, Primrose im Fallen zu schützen, aber sie hatte eindeutig einen Schock erlitten.
In diesem Moment stürzte ein Untier durch ein klirrendes Fenster in den Saal. Es war ein riesiger Wolf, und auf ihm saß Floote, so würdevoll und butlerhaft, wie es einem Mann, der auf einem Werwolf ritt, nur möglich war.
Alexia hielt inne. »Conall Maccon! Ich dachte, du wärst tot?«
Lord Maccon blickte von dem Bein des Vampirs, das er gerade zwischen den Kiefern hatte, zu seiner Frau auf, ließ los und bellte sie an.
»Weißt du eigentlich, wie sehr ich die ganze letzte Woche gelitten habe?«, rief Alexia. »Wie konntest du nur? Wo bist du gewesen?«
Er bellte wieder.
Alexia hätte sich am liebsten auf ihn geworfen und sich mit beiden Armen an ihn geklammert. Außerdem hätte sie ihm gern den Sonnenschirm über den Schädel gezogen. Aber Hauptsache, er war da und am Leben.
Alles funktionierte mit einem Mal wieder. Die Taubheit verschwand, und Alexia nahm die Welt um sich herum in sich auf. Ihr Verstand, der den größten Teil der vergangenen Woche wie abgeschaltet gewesen war, kehrte voll betriebsbereit zurück.
Sie sah ihren Butler an. »Floote, was haben Sie getan?«
Floote zog einen Revolver hervor und schoss auf die Vampire.
»Prudence!«, rief Alexia scharf. »Komm zu Mama!«
Prudence, die bis zu diesem Augenblick mit dem Versuch beschäftigt gewesen war, einer sehr überraschten Drohne Blut aus dem Arm zu saugen, hörte damit auf und schaute zu ihrer Mutter hinüber. »Nein!«
Alexia verfiel in diesen Tonfall, den Prudence selten zu hören bekam, von dem sie allerdings wusste, dass er Ärger bedeutete. »Sofort und auf der Stelle, junge Dame!«
Für Prudence, gegenwärtig ein Vampir, war sofort und auf der Stelle wirklich schnell. Wie der sprichwörtliche Blitz war sie an Alexias Seite. Alexia packte ihre Tochter, was das Kind wieder menschlich machte, und hob sie dann ohne jegliche Skrupel hoch und setzte sie auf den Schoß von Königin Matakara von Alexandria.
»Oh, Dama«, sagte Prudence mit sehr trauriger Stimme und sah der alten Vampirin tief in die gequält blickenden Augen. Ihr kleines Gesichtchen war ernst und zugleich sanft, wie das einer Krankenschwester, die sich um die Verwundeten auf einem Schlachtfeld kümmert. Sie stand vom Schoß der gebrechlichen Frau auf und streckte die Hand nach ihrem Gesicht aus.
Madame Lefoux, die selbst durch all das Chaos hindurch irgendwie erkannte, was vor sich ging, erschien an der anderen Seite der betagten Königin. Schnell hatte die Erfinderin die Situation begriffen, und mit ein paar flinken Handgriffen öffnete sie mehrere Verschlüsse an der Unterseite von Königin Matakaras Maske. Das abscheuliche Ding fiel ab und enthüllte das Gesicht der Vampirin für Prudence’ metanatürliche Berührung.
Unter der Maske war Matakaras Haut eingefallen und spannte sich über die Kieferknochen, doch es war deutlich, dass sie einmal sehr schön gewesen war. Ihr Gesicht war herzförmig mit einer Adlernase, weit auseinanderliegenden Augen und einem kleinen Mund.
Prudence legte eine kleine pummelige Hand auf das Kinn der Vampirin. Es war eine mitfühlende, intime Geste, und Alexia konnte sich der Vorstellung nicht erwehren, dass ihre Tochter irgendwie ganz genau wusste, was sie tat.
Alle Vampire im Raum fuhren gleichzeitig herum und ließen von allen ab, mit denen sie gerade gekämpft oder von denen sie getrunken hatten. Sie griffen Prudence an, die jetzt wieder ein Vampir war und flink
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