Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sensation in der Manege

Sensation in der Manege

Titel: Sensation in der Manege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Caspari
Vom Netzwerk:
Künstlerbehausung vorgestellt hatten, so sahen sie sich jetzt getäuscht. Macky Millers Heim unterschied sich in nichts von einer ganz normalen Mietswohnung, nur daß alles auf engerem Raum Platz finden mußte. An den Fenstern hingen Spitzengardinen, auf der Couch standen die Kissen wie Soldaten aufgereiht und schienen beim Eintreten der Besucher stramme Haltung anzunehmen. Die Fotos an der Wand waren säuberlich gerahmt, und in einer Vitrine glänzten Silberleuchter, Messingkännchen und Sammeltassen.
    Macky präsentierte stolz seine Kochnische, den Duschraum und die Schlafecke. Bille hätte sich nicht gewundert, wenn auf der frischen Tischdecke eine Häkelarbeit gelegen hätte.
    „Wirklich sehr gemütlich!“ lobte Bettina. „Ich stelle es mir herrlich vor, in so einem Wagen gemächlich über Land zu schaukeln und aus dem Fenster meines fahrenden Hauses mal eine Großstadt, mal Felder und Wald und dann wieder das Meer zu sehen.“
    „Jetzt werde ich euch meine Nachbarn vorstellen, die fünf Ricardos. Eine große Familie, und bis auf die Mutter stehen alle Abend für Abend in der Manege. Es sind hervorragende Akrobaten, sie arbeiten mit dem Schleuderbrett.“
    Bei den fünf Ricardos sah es nicht viel anders aus als bei Macky Miller, nur daß es mehrere Schlafgelegenheiten gab. Und genauso war es bei den übrigen Artisten. Die meisten waren verheiratet und hatten Kinder, auf dem Wohnzimmertisch standen Blumen, in der Ecke der Fernsehapparat, Mütter flickten Kostüme oder bügelten Wäsche und bewachten Sprößlinge, die über ihren Schulbüchern saßen. Und wenn nicht die Fotos von den Wänden vom Artistenleben erzählt hätten, man hätte vergessen können, wo man sich befand.
    „Der Wagen dort drüben beherbergt unsere Elektro-Zentrale, und daneben seht ihr den Werkstattwagen. Dies hier ist der Wagen für die Requisiten.“
    Während sie zu den Ställen hinübergingen, sagte Macky Miller endlose Zahlenreihen auf, erzählte, wie viele Wagen zum Zirkus gehörten, wieviel Personal, wie viele Tiere sie ständig mitführten und welche Mengen an Futter und an Lebensmitteln der Betrieb täglich benötigte. Er erklärte, wie hoch das Zelt war, wie viele Stangen, wie viele Meter Zeltplane man benötigte, wie viele Zuschauerplätze unter dem weiten Dach untergebracht waren und wieviel Strom die Scheinwerfer brauchten. Von alldem schwirrte ihnen bald der Kopf, und sie waren froh, als der Anblick der Lipizzaner-Hengste, die gerade für ihren Auftritt verschönt wurden, ihn auf ein anderes Thema brachte.
    „Ja, die sind unser ganzer Stolz! Die Tochter des Direktors führt sie vor; es ist einer der Höhepunkte der Vorstellung. Wenn wir im Winterquartier sind, geht sie mit ihren Lipizzanern auf Gastspielreise — sie ist weit über die Grenzen unseres Landes bekannt. Einmal haben sie sogar schon in einem historischen Film mitgespielt. Und hier drüben seht ihr unsere Araber...“
    „Was für wunderschöne Tiere“, sagte Bille leise zu Bettina. „Ob sie beim Zirkus glücklich sind? In der Enge des Stallzelts und dem kleinen Rund der Manege? Training, Vorstellung, verladen werden, wieder Training...“
    „Ich weiß nicht. Ich kann es mir nicht vorstellen. Wenn ich die Hengste sehe, möchte ich sie mir lieber über eine weite Koppel galoppierend vorstellen.“
    Macky Miller schaute auf die Uhr.
    „Schon so spät! Tut mir leid, Johnny, die anderen Tiere muß ich euch in der Pause zeigen. Die Vorstellung fängt in zwanzig Minuten an, und ich muß mich umziehen und schminken. Schaut euch inzwischen noch ein bißchen um, und dann setzt euch in eure Loge, sie ist auf meinen Namen reserviert. In der Pause hole ich euch dort ab.“
    Schon seit einer Weile hatte es in allen Ecken begonnen sich zu regen. Livrierte überquerten den Hof, Pferde wurden herausgeholt und aufgezäumt, ein Jongleur, schon im Kostüm, übte seine Nummer, Musiker stimmten ihre Instrumente, aus dem Quartier der Elefanten drang ein wilder Trompetenstoß, ein Liliputaner schleppte eine Umhängetasche mit Programmen zum Hauptzelt, ein kleiner Stallbursche ächzte unter der Last glitzernder Geschirre und Schabracken. Von der Straße hörte man das erwartungsvolle Gemurmel der Besucher, die sich an der Kasse drängten. Mini wurde ganz unruhig.
    „Wollen wir nicht reingehen? Dann können wir schon mal das Programm studieren. Hier stören wir ja doch nur.“
    „Fürchtest du, sie lassen gleich die Raubtiere los? Wir werden dich schon beschützen!“ Florian

Weitere Kostenlose Bücher