Sense
Kaffee. Stapelte alles auf dem Beifahrersitz. Fuhr weiter. Fuhr, bis es dunkel wurde. Fuhr herum, fuhr, um nicht daran denken zu müssen, dass ich kein Zuhause mehr hatte.
Ich machte die Scheinwerfer aus, nahm den Fuß vom Gaspedal, bis die Automatik hochgeschaltet hatte, und ließ den Crown dann in dem für ihn typischen, fünfeinhalbzylindrigen, unregelmäßig spotzenden Standgas die Uferstraße entlangrollen. Nur wenige Laternen störten das intensive Dunkel. Es hatte aufgeklart, wieder einmal, und klare Nächte sind, selbst bei Mondschein, in unserer Gegend immer wesentlich dunkler, als wenn dichte Bewölkung die Millionen Lichter der Ruhr-City reflektiert wie eine weiß getünchte Zimmerdecke. Ein Nachteil klarer Nächte hier, wie anderswo auch, ist allerdings die Tendenz, vor allem gegen Morgen hin verdammt lausig zu werden.
Also, um es kurz zu machen, es war schön dunkel, was mir entgegenkam, doch auf die verdammte Kälte hätte ich genauso gut auch verzichten können.
In der Nähe des Segelclubs, in Verlängerung des Anlegestegs, lag ein kleiner Abstellplatz, umgeben von mannshohem Maschendraht, umstanden von Buschwerk, auf dem ein paar Bootsanhänger, Bojen, Gasflaschen, Rettungsringe und sonstiger Krempel vor sich hin gammelten. Ich ließ den Motor laufen, während ich das Vorhängeschloss intakt ließ, dafür aber die Kette, die es verband, mit Sägedraht durchfeilte, schwang den Torflügel auf, fuhr den Wagen mit der Nase voran auf den Platz, brachte ihn (wegen der Bremslichter) mit der Handbremse zum Stehen und killte augenblicklich die Zündung.
Einen Vorteil hatte der Crown: Man parkte ihn zwischen einem Haufen altem Gerümpel, und er fügte sich sofort nahtlos ein. Während ich das Tor wieder zuzog und die Kette wieder hinhing, ließ ich meinen Blick kritisch schweifen, doch alles erschien mir perfekt.
Ich hatte vorwärts eingeparkt, also entgegen der Richtung, die ich beobachten wollte, weil Autos hinten keine Augen haben. Ja, hört sich bekloppt an, weiß ich, ist aber so. Ein Wagen, der einem das Gesäß zudreht, wirkt desinteressiert und zieht deshalb, unter Umständen wie diesen, viel weniger spontanes Misstrauen auf sich als einer, der einen mit zwei runden, neugierigen Scheinwerfern und einer großen, blanken Windschutzscheibe anstiert. Noch dazu wenn er, wie der Crown, wirkte, als sei er schon seit Jahren nicht mehr von der Stelle bewegt worden. Ein Blick noch - zwei Bullaugen der >Princess Stephanie< flackerten bläulich -, Freund Spiegelbrille war an Bord und amüsierte sich wahrscheinlich göttlich vor dem Fernseher.
Leise ließ ich mich in den Sitz und die Türe ins Schloss fallen und seufzte. Überwachungsarbeit ist wie Fliegen: 99% Langeweile.
Ich rutschte im Sitz nach unten, bis ich sicher sein konnte, dass die Rückenlehne mich verbarg, richtete die beiden Außen- und den Innenspiegel auf die Prinzessin, den Steg und den Uferstrei
fen davor aus, knippte den Deckel von einem Becher Kaffee und steckte mir eine an. Man muss warten können, in meinem Job.
Scheinwerferlichtkegel tanzten über die holprige Uferstraße näher, ein Motor brummelte vorbei, rote Rücklichter entfernten sich schwankend. Dann wieder zwanzig Minuten nichts. Da dies hier keine Durchgangsstraße war und wir, was Wassersport anging, noch in der Vorsaison steckten, kamen nur gelegentlich mal ein Pärchen auf der Suche nach einer ruhigen Stelle zum Rammeln oder eine Patrouille vom Wachtdienst vorbei. (Schlösser kontrollieren, jaja.) Sonst nichts und niemand.
Ich stellte das Radio an, leise, nahm mir noch einen Kaffee, lau, und rauchte und rauchte.
Ein paar Wasserratten hoppelten das Ufer entlang, Nachtvögel krächzten oder huhuuten oder schissen mir auf die Scheiben, im Radio sprachen sie schnell und neckisch und spielten vor allem Musik aus der Schublade >tanzbar<, heute noch vollkommener als sonst an meinem Bedarf vorbei.
Die Bullaugen der >Prinzessin Stephanie< glommen weiterhin bläulich, wechselten in abgehackten Intervallen die Schattierung. Ich sah auf die Uhr. Ja, Freund Spiegelbrille dürfte mittlerweile wohl mit der Hose um die Knöchel da sitzen, dies war die Stunde der schwingenden Titten.
Wieder Scheinwerfer, wummernde Bässe, rote Lichter. Noch ein Pärchen. Samstag ist die Nacht, wo's abgeht. Alk, Drogen, Sex, laute Musik, wilde Partys, Sex, schrilles Gelächter, illegale Autorennen, Sex - Samstag drehen sie alle am Rad, jeder kommt irgendwie auf seine Kosten.
Na ja. Fast jeder. Ich
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