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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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schlürfte noch etwas kalten Kaffee, schlug den Kragen hoch gegen die hereinwehende Nachtluft, nahm einen zögerlichen Bissen kalter Pizza. Selbst Freund Spiegelbrille, wollte mir scheinen, hatte zurzeit mehr Spaß als ich.
    Und mit einiger Ausdauer, wie mir schien. Wo ich mich schon längst mit einem Grunzen auf die Seite gedreht und der posteja-kulativen Schlafattacke nachgegeben hätte, machte er munter weiter. Zumindest wurden die Bullaugen nicht dunkel.
    Gegen zwei erfuhr ich, wieso.
    Plötzlich glommen in meinen Spiegeln kurz zwei rote Lichter auf und erstarben dann zusammen mit dem hohen, flüsternden Summen eines modernen Achtzylinders. Ein großer, dunkler BMW parkte am Steg, und ich musste ganz leicht eingenickt gewesen sein (nein, nicht postejakulativ. Dafür war es definitiv zu frisch), denn ich hatte ihn nicht kommen hören.
    Niemand stieg aus. Nicht mal, um von vorne nach hinten umzusteigen. Der Voyeur in mir starrte trotzdem Löcher in die Spiegel auf die schwache Chance hin, ein bisschen halb nackter Action zu erspähen, ein Paar schwingender Titten vielleicht, doch wer immer im Wagen saß, rührte sich nicht. Es mussten mindestens zwei sein, denn ich sah jeweils links wie rechts die Funkenspur einer weggeschnickten Kippe durch die Nacht zischen. Die Insassen des BMW warteten. Wie ich, wie der treue Bootsmann. Wir alle warteten. Worauf? Auf Elvis.
    Gegen halb drei näherten sich von der Hauptstraße die bok-kenden Scheinwerfer eines Autos mit kurzen, harten Federn auf schlechter Fahrbahn, zusammen mit dem ungeduldigen, heiseren Bellen eines italienischen Sportmotors, und kurz darauf duckte sich die flache Silhouette eines schwarzen Ferraris neben die dunkle Masse der bayrischen Limousine. Jetzt schwangen Türen auf, und zwar die des BMW zuerst. Zwei Mann stiegen aus, richteten sich zu voller Größe und Breite auf, drehten ihre rasierten Kugelköpfe nach allen Seiten und nickten dann damit. Danach erst öffneten sich die Ferrari-Türen und entließen auf der Fahrerseite einen kleinen Dicken mit Rockabilly-Haartracht und einer weißen Ledermontur, deren Nieten- und Strassbesatz das Sternenlicht zu uns auf die Erde lockte und großzügig neu verteilte. An den Füßen trug er Stiefeletten mit Plateausohlen und hohen Absätzen, wohl nicht zuletzt, um den Größenunterschied zu seiner Begleiterin auszugleichen. Die hatte diesen Schachzug geschickt mit einem Paar Mörder-Stilettos pariert, auf denen sie, kaum aus dem Wagen, geziert und nervös herumstakste, lang und schmal, mit einer Frisur Marke >Oscar-Verleihung< und umschwebt von einem funkelnden Paillettenkleid, rauchend, maulig, fröstelnd trotz der Pelzstola um ihre schlanken Schultern.
    Komm zu mir, dachte ich. Dann können wir uns gegenseitig wärmen.
    Erst als der silbrige Mast der >Princess Stephanie< in meinem Innenspiegel tanzte, bekam ich meine Augen dazu, sich wieder auf Wichtigeres zu konzentrieren. So gerade eben kriegten sie noch mit, wie Elvis zur Kajüte hinabstieg, dicht gefolgt von einem der beiden Kugelköpfe, während der andere mitsamt der Grazie bei den Autos verblieben war.
    Jetzt war auch Rundschädel Nummer eins im Boot verschwunden, und der Mast kam allmählich wieder zur Ruhe. Man saß zusammen, drinnen, in der Kajüte. Es wurde nicht wie wild hantiert, gehoben, geschoben, an Deck gewuchtet. Nein, dazu lag der Kahn zu still, pendelte sein Mast zu wenig.
    Es wurde gesprochen, da drin.
    Mit etwas wie spontaner Sorge begann ich, über die mögliche Qualität der Verständigung zwischen den dreien an Bord zu spekulieren.
    >Und, alles klar, alles ruhig?<
    (Als Antwort ein slawisches Grummeln, ehe der Dolmetsch loslegt:) >Geht so. Heute Nachmittag war doch tatsächlich so 'n Typ hier an Deck, versuchte rumzuschnüffeln. Hab ihm dann ein paar verpasst und er .. .<
    >Versuchte was? Rumzuschnüffeln? Wie sah der Kerl aus?<
    (Slawisches Grummeln hin, slawisches Grummeln her:) >Also: blendend. Es gibt kein anderes Wort dafür. Erst mal erstklassig gewandet, in Luxuslederjacke, Edelsneakern und DesignerJeans, dazu ein Hundertfünfzig-Mark-Haarschnitt, Zähne wie David Copperfield, Figur eines austrainierten Mittelgewicht-lers.< (Grummel, grummel.). >Ah, ja, und, eh ich's vergesse, eine Hand in Gips, wie es aussah.<
    >Eine Hand in Gips?! Welche?<
    Mit spontanen Bedenken sah ich mich um, fand mich plötzlich mitsamt meinem fahrbaren Untersatz in einem Maschendrahtkäfig wieder, selbst dorthin verfrachtet, auch noch, und eigenhändig

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