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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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>Harblagasta!< schallte über das Wasser.
    Plötzlich fröstelte ich nicht mehr. Plötzlich war mir richtig kalt.
    Noch auf dem Weg nach Hause - Ha! Was für ein Hohn! -Noch auf dem Weg zurück zu der überfluteten, zu Plender gekloppten und vollkommen unbewohnbar gemachten Hütte, die einmal mein Zuhause dargestellt hatte, noch auf dem Weg dorthin also vollzog ich den zweiten Rückzieher des Tages.
    Nein, stopp mal, das hört sich scheiße an. Aber echt. Krys-zinski macht keine Rückzieher. Was er macht, ist, er praktiziert Darwinismus. Schon besser. Kryszinski passt seine Vorgehensweise an, und zwar ständig aufs Neue. Mit dem Ziel, auf lange Sicht das beste Ergebnis für sich herauszuholen. O ja.
    Einem anderen etwas kaputtzumachen, um ihm etwas heimzuzahlen, ist eine feine Sache, das steht ganz außer Frage. Ihn damit gleichzeitig so weit in die Scheiße zu reiten, dass andere sich genötigt fühlen, das Werk der Zerstörung fortsetzen, ist kunstvoll. Doch ihm zu schaden, ihm seine Gläubiger auf die Gurgel zu hetzen und sich dabei auch noch die Taschen zu stopfen, bis sie auf dem Boden schleifen, das wäre, hrm, sagen wir, schon ein smarter kleiner Coup. Geld, dachte ich und tupfte unter meiner Nase herum, die anfing, in mein Sichtfeld hinein-zuschwellen, Geld, dachte ich und klebte eine feuchte Papierserviette gegen das Ei unter meiner Kopfhaut, Geld, dachte ich, und dann dachte ich daran, dass ich einen Hehler brauchen würde, und das lenkte meine Gedanken automatisch zu Scuzzi, und von da ab dachte ich >Geld<, wie ein frisch Verheirateter, nur noch in halb so großem Format.
    Also würde ich die Prinzessin nicht in Brand stecken. Erst mal nicht. Nicht mit jemand Lebendem an Bord. Schließlich braucht es einen Grad an Bestialität, um einen Menschen oder ein anderes Lebewesen in den Feuertod zu schicken, den ich hoffentlich niemals erreichen werde. Jemand Lebendem ein Stück Rundholz oder Stahlrohr über den Appel zu ziehen, um ihn ruhig zu stellen und nebenbei eine kleine Rechnung zu begleichen, steht dagegen auf einem völlig anderen Blatt. Es bleibt eine weite Kluft zwischen gesundem Revanchismus und krankhaften Auswüchsen der Gewalt.
    Und ich würde den Kahn auch nicht anstecken, ohne mich vergewissert zu haben, woraus seine Ladung bestand und ob man sie nicht viel besser verticken als abfackeln könnte.
    Unterwegs hielt ich am Präsidium, wo sie mich und meine frischen Blessuren interessiert beäugten, mich ein wenig danach löcherten und, als ich mich als maulfaul erwies, mir blitzartig die Verantwortung für Saschas im Rahmen der Obduktion erstelltes, schillerndes Blutbild in die Schuhe zu schieben versuchten. Doch ich war nur bereit, für eine Stelle irgendwo hinterm Komma seines Alkoholpromillewertes geradezustehen und keineswegs für den, wie es schien recht erklecklichen, Erythroxylin-Methylbenzoylergonin-Gehalt des Saftes in seinen Adern, und weil sie mir das Gegenteil nicht oder, wie sie es ausdrückten, noch nicht beweisen konnten, durfte ich meinen Weg nach einer Weile fortsetzen.
    Wie mir das alles auf den Sack ging!
    Die Katze war zu Hause. Sie hatte schon auf mich gewartet, indigniert, hochgradig erregt und mit einem ellenlangen Katalog von Beschwerden, wie eine ganze Bande von Pauschaltouristen, die sich zusammengerottet und gegenseitig hochgeschaukelt haben, um dann gemeinsam über den nichts ahnenden Reiseleiter herzufallen. In hysterisch hohen Tönen.
    Punkt 1 war, nicht unerwartet, die Leere des Napfes. Ich beeilte mich, Abhilfe zu schaffen. Dosen waren alle, blieb Trocken ... Ich seufzte. Klaubte einen Plastikbecher auf und kratzte mit seiner Hilfe ehemaliges Trockenfutter aus dem durchweichten Sack, spatelte es mit einem Brotmesser in den Napf und stellte ihn auf den Boden. Die Katze näherte sich, bei jedem Schritt angewidert ihre Pfoten schüttelnd (die unerträgliche Feuchtigkeit überall war Punkt 2 auf der Liste), senkte ihre Nase kurz auf das angebotene Futter und sah dann zu mir hoch, als ob ich ihrer Ansicht nach in Behandlung gehörte.
    »Zieh hier nicht so eine Schau ab«, sagte ich zu ihr. »Sobald ich dir den Rücken zudrehe, frisst du's ja doch.« Und jetzt leck mich, Nervensäge, dachte ich und wandte mich zum Gehen, doch oha! Sie war noch keineswegs fertig mit mir. Was denn mit der Heizung sei? Solle sie sich etwa weiterhin den zarten Arsch abfrieren? Und wo bitte schön bliebe meine vertraglich zugesicherte Verfügbarkeit als Fellstreichler, Bauchkrauler und ganz

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