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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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Kinder. In den USA gab es schon Freisprüche in solchen Fällen. Hier allerdings steht man eher auf dem Standpunkt, die Diagnose sei eine Erfindung der Therapeuten, die ihren Patienten die Persönlichkeitsspaltung eingeredet oder während der Hypnose eingepflanzt hätten.«
    »Das ist alles ziemlich kompliziert, nicht?« Lara hatte in der Zwischenzeit ausgiebig recherchiert. »Vielleicht wäre man ihr nie auf die Spur gekommen … Warum hat sie überhaupt diese Briefe an sich selbst geschickt? Lägen sie noch heute in der Schatulle, wüsste womöglich niemand, dass es eine Verbindung zwischen all den Fällen gibt.«
    »Du hast recht und auch wieder nicht.« Mark sah einem Doppelstockbus
nach. »Ich denke, eine oder mehrere ihrer Innenpersonen wollten dem Ganzen ein Ende bereiten, während andere sich dagegen sträubten. Dieser Zwiespalt führte dazu, dass zuerst nur ein Teil des ersten Briefes abgeschickt wurde. Maria Sandmann  – die Gastgeberin  – bekam von dem ganzen Vorgeplänkel nichts mit und war natürlich über den Inhalt bestürzt. Das brachte dann den Stein ins Rollen.«
    »Ich habe inzwischen zwei Bücher zum Thema gelesen Aufschrei und Die Leben des Billy Milligan.« Lara rührte gedankenverloren den Satz in ihrer Espressotasse um. »Und trotzdem … ich begreife vieles nicht. Wie konnte so eine zierliche Frau solche Taten vollbringen? Sie hat für Mellers Bestrafung unzählige Kanister Wasser und dann ihn selbst in den vierten Stock transportiert. Ich weiß zwar, dass die DNA-Spuren an den Tatorten eindeutig bewiesen, dass sie es war, aber es erscheint mir doch schier unmöglich. Einen Helfer kann sie nicht gehabt haben, oder?«
    »Nein. Sie war es allein. Vergiss nicht, Maria Sandmann ging regelmäßig ins Fitnessstudio und hat trainiert. Sie war stark. Außerdem hat die Taten ja Matthias verübt  – der Vollstrecker, und nicht Maria Sandmann.«
    »Aber trotzdem steckt dieser Matthias doch im Körper dieser Frau!« Lara mäßigte ihre Lautstärke. Ein Auto hupte. Mark verzog den Mund kurz zu einem schiefen Lächeln.
    »Die verschiedenen Innenpersonen können sich komplett anders verhalten und sogar eine andere körperliche Verfassung haben. Das geht bis hin zu Blutwerten, Krankheitsbildern und Ähnlichem. Es ist noch nicht genau geklärt, wie das funktioniert. Aber je nachdem, wer gerade ›draußen‹ ist, wechseln die Eigenschaften.«
    »›Draußen‹ heißt?«
    »So nennt man es, wenn eine Person ins Rampenlicht tritt und agiert. Alle anderen halten sich dann entweder zurück oder wissen gar nicht, dass in der Zeit jemand anders das Ruder übernommen
hat. Dominante Innenpersonen kommen öfter hervor und beanspruchen mehr Zeit ›draußen‹ als schwächere.«
    Lara schüttelte den Kopf. »Was denken denn die anderen, was in dieser Zeit passiert ist?«
    »Nichts. Sie wissen es meist gar nicht. Einige ruhen sich in der Zeit aus. So hat zum Beispiel Maria Sandmann geglaubt, sie habe fast den gesamten Donnerstag und einen Teil des darauffolgenden Freitags ›verschlafen‹, während Matthias Hase zu dieser Zeit sehr aktiv war  – er hat das ehemalige Kinderheim besucht. Davon hat sie nichts mitbekommen.« Mark wurde wieder ernst.
    »Unglaublich!« Lara betrachtete ihr Handy, das sie auf den Tisch gelegt hatte. Normalerweise schaltete sie das Mobiltelefon in Restaurants aus, weil sie fand, dass es sich nicht gehörte, dort zu telefonieren, aber heute erwartete sie eine Nachricht.
    »Nicht wahr? Die Person, die den größten Teil des Alltags bestreitet, bezeichnet man als ›Host‹, als ›Gastgeber‹. Das ist in unserem Fall Maria Sandmann. Der Host ist sich der anderen Persönlichkeitszustände nur teilweise oder oft auch gar nicht bewusst, sodass er sich auch nicht an deren Handlungen erinnert. Die Betroffenen wissen daher manchmal nicht, wie sie an den Ort gekommen sind, an dem sie sich gerade befinden, oder wer die Person ist, mit der sie da so vertraut zusammensitzen.«
    »Hat sie deswegen Frank Schweizer mit dem Messer angegriffen?« Lara sah wieder die tiefrote Blutlache auf den weißen Fliesen vor sich. Der Kollege hatte die Attacke gut überstanden und war inzwischen wieder voll hergestellt. Erst letzte Woche hatte sie ihn im Gericht getroffen.
    »Mit Sicherheit. Ich hatte ihr ja am Nachmittag ein sehr starkes Beruhigungsmittel gegeben. Nur leider wirken Medikamente nur bei der Innenperson, die sie auch eingenommen hat. Andere spüren davon gar nichts.«
    »Das klingt

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