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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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nachgeben mussten. Ich habe eine
Kelle und einen großen Trichter benutzt, um ihr das Erbrochene wieder einzuflößen. Trotzdem hat die Semper sich geweigert zu bereuen. Ich werde das Gefühl nicht los, sie war bis zum Schluss der Überzeugung, ihre Bestrafungen an den Kindern wären nötig gewesen. Dass mich das ziemlich wütend gemacht hat, kannst Du Dir bestimmt lebhaft vorstellen!
     
    Liebe Mandy, es tut mir unendlich leid, aber ich kann leider nicht schreiben, dass die Walze Buße getan hätte. Sie wurde zwar gerichtet, eingesehen hat sie ihre Schuld jedoch nicht. Nachdem sich das Spiel »Essen-Kotzen-Essen-Kotzen« mehrmals wiederholt hatte, reichte es mir. Ich wollte ja nicht die ganze Nacht dort verbringen. Ich habe ihr einfach ein großes Handtuch fest auf Mund und Nase gedrückt und gewartet.
    Die Semper hat sich ganz schön gewehrt, bis sie endlich an ihrer eigenen Kotze erstickt ist. Ich hätte nicht gedacht, dass eine alte Frau so zäh sein kann! Und dieser fette Kater hat mein Tun die ganze Zeit beobachtet wie ein gelangweilter Buddha. Ich bin froh, dass sie keinen Hund hatte, denn Hunde verteidigen ihre Besitzer doch, oder? Dieser Garfield-Verschnitt jedoch rührte keine Pfote, um sein Frauchen zu beschützen.
    Dann war es endlich vorbei. Die Semper hing zusammengesackt in ihrem Sessel, nur gehalten von den Verschnürungen. Ihr Gesicht war rotblau angelaufen, die Zunge quoll wie ein vergammeltes Rumpsteak aus dem halb offenen Mund. Einfach ekelhaft! Nicht dass sie vorher viel besser ausgesehen hätte  – das nicht, aber dieser Anblick überbot alles.
    Dieses Mal hatte ich weniger Nacharbeiten zu erledigen. Ich lerne dazu. Dass ich Meller mit seinem Auto durch die Gegend gefahren habe, war ein Fehler. Was, wenn mich eine Verkehrsstreife angehalten hätte? Oder wenn mich jemand beim Abbruchhaus beobachtet hätte? Ich hätte ihn auch gleich in seinem Haus erledigen sollen.

    Bei der Semper war alles einfach.
    Ich habe sie da sitzen lassen, an ihrem Küchentisch, vor sich die orangefarbene Schüssel. Wäre das Gewebeband um ihre Arme und Beine nicht gewesen, hätte es von Weitem ausgesehen, als wäre sie beim Essen eingeschlafen.
    Als ich ging, entwischte ihr Kater durch die Terrassentür in den Garten. Im Dunkeln habe ich nicht richtig aufgepasst. Ich hatte ihn eigentlich im Haus einsperren wollen. Aber vielleicht ist das Vieh draußen sogar besser aufgehoben. Es kann lernen, Mäuse zu fangen.
     
    Auf der Heimfahrt habe ich an den Fall gedacht, der erst vor kurzem in einem Kindergarten im Vogtland passiert ist, heute  – mehr als zwanzig Jahre nach der Wende! Erzieherinnen haben Kinder, die ihre Mahlzeiten nicht mochten, gezwungen, diese aufzuessen. Erbrachen die Kleinen ihr Essen, mussten sie auch das auflöffeln. Wie abscheulich können Menschen sein? Ich hätte nicht übel Lust, dorthin zu fahren und diesen Frauen die gleiche Strafe zukommen zu lassen wie der Walze! Denn was wird ihnen in diesem Staat schon groß geschehen? Sie verlieren vielleicht ihre Jobs. Das war es dann aber auch schon. Dann ziehen sie in ein anderes Bundesland und können sich von Neuem in Kindertagesstätten bewerben  – oder als Tagesmutter arbeiten! Jammerschade, dass ich mich nicht um alles selbst kümmern kann. Ich habe leider vorher noch andere Aufgaben zu erledigen. Ich muss unsere anderen Peiniger suchen. Unangenehmerweise kann ich mich im Moment partout nicht an weitere Namen erinnern. Mein Gehirn ist wie leergefegt, das gesamte Bild unscharf. Nur eine unklare Ahnung, dass da noch viel Schlimmeres im Verborgenen lauert, quält mich von Tag zu Tag mehr. Immer, wenn ich mich zu erinnern versuche, was genau geschehen ist, entgleitet mir die Erinnerung wie ein schmieriger Aal. Aber auch das wird sich lösen lassen. Das Einzige, was ich im
Moment sehen kann, ist ein Ringelschwanz von einem Schwein. Seltsam, nicht wahr?
    Vielleicht brauche ich ein bisschen mehr Zeit, aber ich habe schließlich alle Zeit der Welt, oder? Niemand verdächtigt mich. Vielleicht muss ich mich auch auf die Suche nach anderen Zöglingen machen, um mit ihnen zu sprechen und sie zu befragen. Lass Dich einfach überraschen, mein blonder Engel. Bist Du überhaupt noch blond? Frauen wechseln ja heutzutage öfters die Haarfarbe, nicht?
     
    Noch werde ich die Briefe nicht abschicken. Aber Du kannst Dir bestimmt vorstellen, dass ich das unheimlich gern tun würde. Ich möchte, dass Du davon erfährst. Du stehst mir am nächsten. Und bei Dir

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