Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
alt.“
Jetzt starrten wir sie ausnahmslos alle mit offenen Mündern an.
„Unglaublich, nicht wahr? Wo ich doch so jung aussehe.“ Nun lachte sie kokett, ein Anflug von Humor, der beinahe echt wirkte. Doch sie hatte sich viel zu gut im Griff. „Aber ich bin nicht die älteste Skiava Laurussias, das könnt ihr mir glauben, mein Wort drauf.“
Wir Männer sahen einander zweifelnd an. Was Avalea von sich gab, klang mehr und mehr unglaubwürdig, vor allem in den Ohren Lukes. Während Krister und ich durch die Aufzeichnungen von Radan einigermaßen Bescheid wussten über die wahren Wurzeln der Menschen Gondwanas, musste Luke in der Tat glauben zu träumen. Avaleas Worte jedoch gingen weit über unser aller Kenntnisstand hinaus. Es klang schlichtweg phantastisch. Dreihundertzweiundsechzig Jahre! Keinem mir bekannten Lebewesen war auch nur annähernd diese Zeitspanne gegönnt. Mein skeptischer Blick sprach Bände. Dennoch – warum sollte sie uns Lügen auftischen? Simples Schweigen wäre ihrer Sache dienlicher gewesen. Mit Sicherheit erwarb sie sich im Augenblick nicht gerade unser Vertrauen. Im Gegenteil. Unheimlich kam sie mir vor. Ein künstlich geschaffener Mensch! Unvorstellbar! Und dann noch fast ein halbes Jahrtausend alt. Mehr als abwegig!
„Und das sollen wir dir jetzt glauben?“ Es klang spöttischer als beabsichtigt. Auch Krister schüttelte verächtlich den Kopf und blickte unangenehm berührt auf die See hinaus. „Du wirst verstehen, dass wir jetzt eher ein wenig verwirrt sind, um es vorsichtig auszudrücken.“
Ohne ein weiteres Wort begann Avalea die Schnürung ihres Oberteils zu lockern. Was auch immer sie damit beabsichtigte und wie unpassend es erscheinen mochte, es zog uns Männer gleichermaßen in seinen Bann. Stumm zog sie den Teil des Stoffes nach oben, der ihre schmale Taille bedeckte. Ein kleiner Streifen schneeweißer Haut kam zum Vorschein. Allein dieser Anblick löste starkes Verlangen nach Laura aus. Laura! Wie sie mir fehlte! Wie sehr ich ihre Nähe vermisste, ihr Lächeln, ihr vor Leben sprühender Blick, ihre zarten Berührungen. Wann würde ich sie wiedersehen?
Avalea schien genau zu wissen was sie tat, dennoch hielt sie einen letzten Moment inne, bevor der Stoff ein weiteres Stück nach oben wanderte und ihren flachen Bauch bis zum unteren Rippenbogen freigab. Wir sahen unverzüglich, was sie damit beabsichtigte. Es ist immer wieder interessant festzustellen, wie sehr das Nichtvorhandensein vertrauter Einzelheiten den Blick magisch anzieht. So wie eben jetzt auf diesen tadellos geformten Bauch, dem allerdings etwas Markantes fehlte.
Etwas überaus Markantes.
Er wies keinen Nabel auf. Da war nichts. Keine Vertiefung, keine Mulde, nicht der geringste Hinweis auf ein Geburtsmal. Ein fürwahr ungewohnter Anblick.
„Vielleicht glaubt ihr mir jetzt.“ Sie ließ den Stoff sinken und verbarg die verräterische Stelle wieder, die ihre Zugehörigkeit zu einer anderen, einer uns befremdlichen, Art Mensch verriet.
Wie sollten wir mit dieser Neuigkeit umgehen? Würden wir Avalea von nun an mit anderen Augen betrachten? Die Frage ließ sich für meinen Teil mit einem klaren „Ja“ beantworten. Offenbar ging es Krister und Luke ähnlich.
Die unerträgliche Pause, die nun entstand, beschrieb die Situation besser als Worte jemals vermocht hätten. Die fehlten uns nämlich schlichtweg. Unglaublich, was wir zu hören und zu sehen bekommen hatten. Menschen besaßen demnach einst die Fähigkeit, sich außerhalb des Mutterleibs fortzupflanzen. Auf welche Weise auch immer. Ich wusste nicht, was ich von all dem halten sollte. Nur eines spürte ich mit Deutlichkeit: Ablehnung. Unbegreiflich, was meine Vorfahren auf Gondwana veranstaltet hatten! Wenn Avaleas Geschichte stimmte, bekam ich einen ersten Vorgeschmack davon, mich für mein eigenes Volk zu schämen.
„Skiavos und Menschen leben seit Ende des Krieges mehr oder weniger friedlich nebeneinander“, brach Avalea schließlich das Schweigen. „Nur werden wir immer weniger, während die Zahl der Menschen beständig ansteigt. Das war nicht immer so. Nun sind unsere Tage allmählich gezählt. Ich gehöre zu einer aussterbenden Art.“
Das verlangte nach genauerer Erklärung.
„Wie kommt das?“ Doch konnte ich mir die Antwort darauf selbst geben. „Steht dies im Zusammenhang mit den fehlenden Kindern in Hyperion?“
Sie nickte ausdruckslos.
„Skiavas können keine Kinder bekommen?“ fragte Luke nach und brachte es damit auf den
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