Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
aussähen. Deswegen auch ihre anfängliche Unsicherheit. Sie wusste nicht, ob sie Menschen oder Skiavos vor sich hatte. Endlich verstand ich. Etwas spät, aber besser spät als nie.
„Du bist ein Skiavo!“ War es etwas Verbotenes oder warum verfiel ich in Flüsterton?
„Ich konnte das Räderwerk in deinem Kopf richtig rattern hören. Na endlich ist der Groschen gefallen. Wurde aber auch Zeit. Im Übrigen bin ich eine Skiava, wenn’s recht ist. Danke.“
Alles was ich über Skiavos wusste basierte auf Pattersons Tagebuch. Nicht mehr und nicht weniger. Zugegebenerweise stiftete diese neue Erkenntnis weitaus mehr Verwirrung als Aufhellung. Ich hatte keine Ahnung, wie damit umzugehen war.
„Du bist eine was?“ Luke beäugte Avalea wie ein exotisches Tier.
„Worin unterscheiden wir uns?“ Meine durchaus berechtigte Frage stieß nicht sofort auf Gegenliebe. Mit einem halb zugekniffenen Auge musterte mich Avalea von der Seite.
„Du weißt es wirklich nicht, richtig?“ Mein Kopfschütteln quittierte sie mit mehrdeutigem Nicken. Sie hielt mich nicht nur für unterbelichtet, nein, ich schien in ihrem Ansehen auf den Grund der Tethys zu sinken. „Nun ja, woher auch. Entschuldigt die Frage, aber welche Kenntnis habt ihr überhaupt von Laurussia?“
Es gab keinen Grund zögerlich zu sein.
„So gut wie keine“, gestand ich. „Unsere Welt endet am Skelettfluss. Wir sind aufgewachsen mit der sicheren Überzeugung, dass in Laurussia die Opreju herrschen. Solange wir ihr Gebiet nicht betreten, solange wir das Tabu nicht brechen, bleibt der Frieden gewahrt.“
„Ich hörte von diesem Tabu, hielt diesen blühenden Unsinn allerdings immer für ein Märchen.“
Krister und ich wechselten uneindeutige Blicke. Er beschränkte sich darauf, im Hintergrund zu verweilen und mir das Reden zu überlassen. Nach wie vor war mir nicht wohl bei dem Gedanken, ihr die ganze Wahrheit bezüglich unserer Mission zu berichten. Irgendetwas sperrte sich immer noch beharrlich dagegen, und ich sah keinen Grund, meiner Intuition zu misstrauen.
„Das Tabu ist also wirklich ein einziger großer Humbug. Tja, ich kann nicht sagen, dass es mich noch überrascht.“
„Humbug ist ein guter Ausdruck. Basturin sieht nicht viele Besucher, aber wenn, kommen sie überwiegend aus dem Norden. So wie dein Bruder, Jack. Zuweilen tauchen sogar welche auf in der Absicht, sich dauerhaft niederzulassen. Doch die Unterschiede zwischen Skiavos und Menschen sind auf lange Sicht gesehen zu gravierend. Bisher sind alle schnell weitergezogen.“
Das verstand ich sehr wohl. Die wenigen Stunden in Hyperion hatten mir auch gereicht. Der bloße Gedanke, in dieser Trümmerwüste siedeln zu wollen, erschien lächerlich. Mir fielen spontan ein Dutzend Gründe ein, dort nicht leben zu wollen.
„Von welchen Unterschieden reden wir?“ fragte ich stattdessen nochmals.
„Nenne sie!“ kam die Antwort. „Du kannst mir nicht erzählen, du hättest sie nicht bereits bemerkt. Schon in Kellswater hast du darüber gesprochen. Keine falsche Bescheidenheit, sag es einfach!“
„Keine Kinder“, fiel Luke ein, noch bevor ich reagieren konnte. „Das ist mir aufgefallen. Ich sah nicht ein einziges Kind in Hyperion.“
„Gut beobachtet. Was noch?“
„Kein Fischfang, kein Ackerbau, keine Viehzucht.“ Das war Krister gewesen. „Kein Markt, kein Warenaustausch. Ich hatte den Eindruck, Hyperion sorgt sich nicht um seine Ernährung.“
Avalea nickte.
Ich sah sie an.
„Sind das welche von den Unterschieden? Soll das bedeuten, Skiavos bekommen keine Kinder und benötigen nichts zu essen?“ Das konnte nicht sein, mehrfach hatte ich Avalea schon bei der Nahrungsaufnahme gesehen.
„Oh, natürlich benötigen wir Nahrung. Darin stehen wir euch in nichts nach. Vielleicht nur etwas weniger. Unser Stoffwechsel läuft auf niedrigerem Niveau ab. Ein weiterer Vorteil gegenüber euch natürlich Geborenen. Wir sind anders konzipiert, ausgerichtet auf Belastbarkeit, Erfolg, Durchhaltevermögen. Schlicht ausgedrückt sind wir Skiavos eine verbesserte Version Mensch.“
Wieso verstand ich kein Wort?
„Was soll das heißen, ‚gegenüber euch natürlich Geborenen‘? Willst du damit sagen, du seist… nicht… natürlich geboren?“ Es klang absurd.
„Genau das.“ Als sprach sie von der normalsten Sache der Welt. „Skiavos haben keine Erzeuger im landläufigen Sinn, verfügen also über keine Parentalgeneration. Verwirre ich dich, Jack? Um es klar auszudrücken: wir
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