Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Kurs auf das Gästehaus, vor der wir drei Männer warteten.
„Da ist sie.“ Der ungefestigte Klang meiner Stimme verriet die letzten Zweifel.
Krister nickte. „Dann kann’s ja weitergehen.“
Wir gingen ihr entgegen. Warum unterdrückte ich den Impuls, ihr zuzuwinken? Was auch immer mich auf Abstand hielt, es erwies sich als stark. Als wir einander erreichten, wusste keiner von uns Männern zunächst etwas zu sagen.
„Wo hast du die Nacht verbracht?“ fragte ich endlich.
„Nicht wichtig“, antwortete Avalea. Gut musste sie geschlafen haben, sie wirkte ausgeruht und voller Tatendrang. Der frische Morgenwind spielte ausgelassen mit ihrem Haar. Sie hatte Mühe, eine widerspenstige Strähne im Zaum zu halten. „Wie sieht es aus? Habt ihr euch entschieden?“
Ich räusperte mich.
„Also… wenn du noch magst… wir würden uns freuen, dich weiterhin bei uns zu haben. Stimmt’s, Jungs?“
Krister nickte zustimmend.
„Ja, das stimmt.“
Luke enthielt sich jeder Reaktion, zwang sich allerdings ein kleines Lächeln ab. Die Skiava verzog keine Miene. Es schien, als hätte sie nichts anderes erwartet.
„Das ist gut“, meinte sie schließlich und hielt uns ihren prall mit Nahrungsmitteln aller Art gefüllten Rucksack entgegen. „Das reicht mehr als nur für ein Frühstück. Wenn ihr noch Proviant braucht, weiß ich einen hübschen kleinen Markt ganz in der Nähe. Dort können wir auch ein paar Fackeln erwerben, die uns in Uhleb sicher gute Dienste leisten werden.“
Nur eine Stunde später verließen wir Kelvin mit geblähten Segeln und bei strahlendem Sonnenschein in Richtung Süden. Die Reise ging weiter. Zu viert. Avalea gehörte fortan zu uns.
16 ICHTHYON
Zu meiner anfänglichen Überraschung waren wir nicht die einzigen Passagiere an Bord. Arian, wie er sich kurz angebunden vorstellte, befand sich auf dem Weg nach Nepondria. Sayward, um genau zu sein. Ich schätzte ihn auf Anfang vierzig, womöglich war er aber auch älter. Er reiste ohne Gepäck, was mich verwunderte aber nicht weiter beschäftigte. Über einem weißen Gewand, das bis zu den Knien reichte, trug er eine lederne Schnürweste, die schon bessere Zeiten gesehen hatte und im Kontrast zu seiner äußerst gut gepflegten aber wohl eher neuen Hose aus hell gegerbtem Schweinsleder stand. Zwei Dinge fielen mir besonders auf: seine überdimensionierte Nase, breit und birnenförmig, die unserem Mitreisenden ein eigenartig derbes Aussehen verlieh – und sein Paar wunderschön gearbeiteter Stiefel, in denen es sich mit Sicherheit fabelhaft bequem lief und um die ich ihn innerlich beneidete. Die kurze Begrüßung blieb allerdings auch der einzige Kontakt, den Arian mit uns anderen Reisenden zu haben wünschte. Unmissverständlich zog er sich nach achtern zurück und ließ sich in einer Ecke neben dem Heckruder nieder, den Blick starr nach Westen gerichtet. Wir ließen ihn gerne gewähren und nahmen nicht weiter Notiz. Wenn er die Nähe des jungen Fährmanns bevorzugte, bitte. Allein Ashram wirkte heute Morgen unkonzentriert und fahrig, um nicht zu sagen nervös. Keine Spur mehr von der jugendlichen Leichtigkeit und Tollkühnheit des gestrigen Tages. Warum vermied er es, uns anzublicken? Nachdem Kelvin am Horizont zu verschwinden begann, wollte ich wenigstens den Versuch wagen, ihn darauf anzusprechen.
„Willst du uns etwas sagen?“ fragte ich ihn wie beiläufig. In jenem Moment fühlte ich mich von Arian beobachtet, auch wenn ich ihm den Rücken zuwandte.
„Wie kommst du darauf?“ Endlich sah er mich an, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. „Nein, es ist alles in Ordnung. Nun ja, vielleicht nicht ganz. Larissa, meine Schwester, ist heute Nacht erkrankt. Es fällt mir nicht leicht, sie jetzt alleine zurückzulassen, verstehst du?“
Ich verstand sehr wohl.
„Tut mir leid“, sagte ich mitfühlend. „Wenn es dir lieber ist, können wir gerne umdrehen und die Reise verschieben. Ein Tag mehr oder weniger spielt für uns keine Rolle.“
„Nein nein, das ist schon in Ordnung“, wiederholte sich Ashram, vielleicht einen Tick zu schnell. Nervös fuhr seine Zunge zweimal über die schmale Oberlippe, bevor er mich erneut für eine kurze Weile anblickte. „Wenn ich zurückkomme, werde ich von eurer Entlohnung Medizin für sie kaufen.“
Diese Äußerung stieß in meinen Ohren endgültig auf Unverständnis. „Aber du wirst nicht vor einer guten Woche zurück sein. Wir können dir einen Teil des Fährlohns vorher geben, was
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