Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
In Lukes Frage schwang ein beißender Unterton mit, der Unverständnis zum Ausdruck brachte, weswegen sie ihr gut gehegtes Wissen nur so schwerlich teilte. Wenn Avalea es bemerkt hatte, wovon er ausging, ignorierte sie seine Aufforderung ohne sich das Geringste anmerken zu lassen.
„Nicht viel. Meiner Meinung nach waren sie längst ausgestorben, ausgemerzt von den Ermeskul, lange vor unserer Zeit.“
Luke sah sie lange an, und es war Avalea, die dem Blick letztlich auswich. Krister spürte ebenfalls dringendes Verlangen, seine Kenntnisse über die Ar-Nhim zu verbessern.
„Wie sehen sie aus? Als lebende Kreaturen, meine ich.“
Avaleas Hände zeichneten hilflose Kreise in die Luft, als suchte sie vergeblich nach passenden Worten.
„Ich weiß nicht, wie ich sie beschreiben soll... ich kann sie mit nichts vergleichen... sie sind... weiß.“
„Weiß?“
„Ja, weiß. Weiß wie Schnee.“
„Albinos“, stellte Luke fest. „Eigentlich logisch. Immerhin hausen sie seit Jahrhunderten in tiefer Dunkelheit.“
„Je länger ich darüber nachdenke, desto weiter will ich weg von hier. Wir sollten aufbrechen. Ich fürchte, dass sie uns nicht so ohne weiteres ziehen lassen werden.“
„Avalea, wie meinst du das?“
„Ich bin überzeugt, sie werden alles versuchen, damit ihr Geheimnis ein Geheimnis bleibt.“
„Dazu müssten sie erst einmal den Weg hierher finden.“ Krister stand, seine eben geäußerten Worte Lügen strafend, auf und blickte prüfend um sich, als erwartete er tatsächlich gegen alle Überzeugung, bereits von einer Herde blutdürstiger Ar-Nhim umstellt zu sein.
„Wenn jemand die Ein- und Ausgänge zu
Tarma-tjo-uhzuba
kennt, dann nur die Ar-Nhim selbst. Unwahrscheinlich, dass sie den engen unterseeischen Zugang, den wir gefunden haben, nutzen können. Wenn ich darüber nachdenke, scheint es mehrere Wege in ihr Reich zu geben, die ihnen selbst verwehrt sind. Wir kennen bisher nur zwei.“
„Zwei?“ fragte Luke.
„Ja natürlich“, erwiderte Krister. „Ein Wesen von diesen enormen Ausmaßen ist wohl kaum in der Lage, sich durch jene schmalen Gänge und Stollen zu zwängen, die uns überhaupt erst zu ihnen geführt haben. Nein, wenn es andere Zugänge gibt – und davon bin ich überzeugt – handelt es sich um welche, die auch für die Ar-Nhim passierbar sind. Viele existieren davon womöglich nicht und sie sind höchstwahrscheinlich gut verborgen, denn sonst könnte ja jeder mehr oder weniger einfach hineinspazieren. Offenkundig hat dies seit langer Zeit aber keiner getan, sonst wüssten wir ein wenig mehr über sie.“
Avalea wirkte geistesabwesend, schien angestrengt nachzudenken. Luke beobachtete sie mit neu erwachtem Argwohn. Ihre permanente Zurückhaltung geriet immer mehr in Konflikt mit der Aufrichtigkeit, die er ihr entgegenzubringen suchte. Warum in aller Welt teilte sie sich immer nur auf Drängen mit? Obwohl Krister sich schon längere Zeit nicht mehr dazu äußerte, spürte Luke, dass auch sein Stiefbruder mit der Schweigsamkeit ihrer Begleiterin bei weitem genug eigene Probleme hatte.
„Wir müssen aufbrechen und Jack finden“, forderte Avalea unvermittelt. „Wir müssen zum Sokwa. Bald. Sehr bald.“
Zum ersten Mal seit langem fiel mein Name. Die letzten Stunden – oder vielmehr Tage – hatten meine Existenz aus guten Gründen in den Hintergrund gedrängt. Das Ringen um ihr eigenes Leben hatte meine Freunde zu hundert Prozent gefordert. Nun, da dieser Kampf zu ihren Gunsten ausgegangen war, veränderten sich die Prioritäten erneut. Die Sorge um meine Person kehrte zurück.
„Hat jemand eine Ahnung, wie lange wir von der Bildfläche verschwunden waren? Mir persönlich kommt es wie eine Ewigkeit vor, aber ich kann mich auch sehr wohl täuschen.“ Krister fuhr sich nachdenklich mit allen zehn Fingern durchs Haar.
„Meiner Entkräftung nach zwei Wochen“, meinte Luke. „Aber das ist natürlich Blödsinn. Schon allein der Wasservorrat hätte unter normalen Bedingungen allenfalls drei Tage gereicht. Höchstens! Und was wir dort unten durchgemacht haben, darf man getrost als wenig normal bezeichnen.“
Sie gingen nach kurzer Debatte davon aus, zwei Tage und drei Nächte in
Tarma-tjo-uhzuba
verbracht zu haben, was ihnen nicht mehr sehr viel Zeit ließ, innerhalb der vereinbarten Frist den Sokwa zu erreichen.
Eine weitere wichtige Frage betraf ihren derzeitigen Aufenthaltspunkt. Avalea beharrte darauf, dass es sich bei dem Gewässer um den
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