Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
keinesfalls neu war. Zum ersten Mal musste ich mich ernsthaft fragen, ob die Triebfeder aller meiner Entscheidungen seit den Tagen auf Radan in meinem Selbst oder dem eines anderen zu suchen war, der mir versteckt suggerierte, was ich zu tun und was ich zu lassen hatte. Ahnungen wie diese waren mir nicht unbekannt.
Ich fühlte mich betrogen, verraten und verkauft von einem Wesen, das auf mysteriöse Weise irgendwann wie ein Parasit in mich eingedrungen sein musste, um eines schönen Tages – nämlich heute – die Befehlsgewalt über meinen Körper zu übernehmen. War ich unbemerkt einem Mithankor zum Opfer gefallen, einer neuen Spezies, die ihren Wirt nicht vernichtete, sondern ihm seinen Körper raubte, seinen Geist aber am Leben ließ?
Was für ein furchtbares Weiterleben mir drohte, sollte sich dies als wahr erweisen. Nicht einmal der Freitod blieb als Ausweg. Wie sollte ich ohne Einfluss auf den eigenen Körper meiner Existenz ein Ende setzen?
Seltsamerweise blieb mir die Macht über meine Gedanken, die sich zwar wie ein Wirbelwind im Kreis drehten, aber dabei dennoch erstaunlich klar und differenziert blieben. Dadurch wurde mir der komplette Verlust der Kontrolle über meine Selbstbestimmung und die Konsequenzen daraus erst richtig bewusst. Die Angst, nun für immer ein stummer Gefangener in einer Hülle aus Fleisch und Blut zu sein, die ich einmal uneingeschränkt als mein Eigen betrachtet hatte und die nun einem Fremden gehörte, raubte mir beinahe den Verstand.
Ums andere Mal wollte ich schreien, toben, um mich schlagen, den Kampf aufnehmen. Mein Körper indes bewegte sich nicht. Ich war mir nicht sicher, ob der andere in mir, der Sentry, mich überhaupt wahrnahm.
Wie weit würde er mich verdrängen? Wie viel Raum würde er mir zustehen? Wieso hatte er ausgerechnet jetzt übernommen? Natürlich, es musste der heimtückische Uhleb gewesen sein, der diesen Vorgang in Gang gebracht hatte. Er hatte mich überrumpelt, mit mystischem Geschwafel eingelullt. Warum war ich nicht so schlau gewesen, die beiden kleinen Monster unschädlich gemacht zu haben, solange ich mich noch dazu in der Lage befunden hatte? Zwei Hiebe mit dem Stab würden ausgereicht haben. Aber nun war es zu spät.
Siedend heiß fielen mir Krister und Luke ein. Die Wahrscheinlichkeit, sie je wieder zu sehen, reduzierte sich nun auf ein kaum spürbares Minimum. Ich hatte verloren. Die Existenz des Menschen Jack Schilt endete in dieser verfluchten Höhle am Rande des Niemandslands zwischen Uhleb und Ithra.
Der bloße Gedanke daran ließ glutheiße Wut aufkeimen. Warum hatte ich hier drinnen nur Zuflucht vor der Hitze des Tages finden wollen? Weshalb war ich nicht einfach weitergegangen? All das würde nie passiert sein, ich wäre den gottverdammten Uhleb niemals begegnet… oder am Ende vielleicht doch?
Plötzlich mochte ich nicht mehr an Zufall glauben. Diese kleinen verschlagenen Kreaturen waren mir mit Sicherheit schon länger gefolgt oder hatten mir aufgelauert, um sich in einem günstigen Moment mein Vertrauen zu erschleichen. Und ich Idiot war darauf hereingefallen wie ein blutiger Anfänger. Nun würde ich niemals den Taorsee erreichen, nie meinen Bruder Rob finden.
Vernichtende Lähmung überkam mich, die jeden weiteren Gedankengang blockierte und zu unheilvollem Stillstand brachte. Handlungsunfähig, gelähmt wie vom Biss einer Giftspinne, würde sich der Rest meines Seins nur noch auf passives Warten und Beobachten beschränken.
Obwohl ich keinerlei Macht mehr über meine Augen besaß, sah ich weiterhin durch sie, auch wenn jemand anders ihre Bewegungen lenkte. Außerdem konnte ich immer noch hören und vernahm deutlich die gutturalen, hastigen Worte, die der Sennt-ryi unter Zuhilfenahme meines Sprechapparates erzeugte. Er sprach mit meiner Stimme. Éi-urt-tuay zugewandt – ich wunderte mich, wie schnell ich ihn mit meinem eigenen Körper identifizierte –, überschüttete er das niederträchtige kleine Männlein, das ich jetzt so gerne mit einem Schlag des eisernen Stabes niedergestreckt hätte, mit einem Schwall unverständlicher Laute.
Und dann griff endlich mein Widerstand. Sicherlich gehörte es zum Plan der Uhleb, mir zu suggerieren, Auflehnung sei zwecklos. Sie beabsichtigten mich ruhig zu stellen, um so die Übernahme des Sentrys zu gewährleisten. Wollte ich es ihnen wirklich so leicht machen, ihnen so nachgiebig in die Hände spielen? Mit neu entflammender Willenskraft kämpfte sich mein Ich zurück an die
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