Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
ich den Ithronn in Richtung der geballten Faust. Nicht wissend, was ich mir davon versprach, beobachtete ich seinen kurzen Flug. Die glänzende Waffe sauste schnurgerade auf die riesenhafte Klaue zu. Eine kleine Bewegung des Monstrums würde genügen, sie hätte ihn weit verfehlt und wäre irgendwo auf Nimmerwiedersehen in der dunklen Tiefe verschwunden. Doch der Rote Herrscher verharrte bewegungslos.
Rob, der mich gehört haben musste, andernfalls hätte er niemals wissen können, was ich von ihm wollte, streckte den freien rechten Arm aus soweit es ihm in seiner misslichen Lage möglich war – und bekam den Ithronn am hinteren Ende zu fassen. Einen schrecklich kurzen Augenblick sah es so aus, als entglitt er ihm wieder, doch dann hielt er ihn fest.
Unsere Augen fanden sich.
Es sollte das letzte Mal sein.
Was auch immer jetzt geschehen würde, ich spürte mit aller Deutlichkeit, Rob zu verlieren. Ahnungsvolle Tränen verschleierten meinen Blick, als ich aus Leibeskräften schrie: „Wirf, Rob! W-I-R-F!“
Und Rob warf. Es gelang ihm, den Ithronn wenn auch kraftlos auf die Reise zu schicken. Eigentlich war es kein richtiges Schleudern, vielmehr ein Fallenlassen unter Versetzung eines umständlichen Stoßes.
Es war Robs letzte Tat.
Einen Augenschlag später schlossen sich die unbarmherzig kraftvollen Klauen.
„NEIN!“ Mein Schrei erstickte. Ich wusste, nichts mehr für meinen unglücklichen Bruder tun zu können.
Lautlos und ohne zu klagen starb er in den Fängen des Ghaias.
Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen. Mir war, als hörte ich den lieblichen Klang einer Flöte. Ja, eindeutig... Musik. Ich hörte Musik. Betörende Klänge aus anderer Zeit, aus der lange zurückliegenden Kindheit. War es unsere Mutter, die mit den Klängen ihrer hölzernen Flöte die Angst vor der finsteren Nacht vertrieb?
Fetzen aus meinem Unterbewusstsein trieben himmelwärts in die reale Welt. Ich sah ihn glasklar vor mir, meinen älteren Bruder, selbst noch ein Kind, wie er mich pflichtbewusst an der Hand nahm und aus der Dunkelheit heraus in die wärmende Sicherheit unseres Elternhauses führte. Wie oft hatte er sich schützend vor den kleinen Bruder gestellt und gegen alle Gefahren verteidigt. Nun, in der Stunde seiner höchsten Not, musste ich hilflos zusehen, wie er von fremder Hand vom Leben in den Tod befördert wurde.
Tausende von Bildern tanzten und hüpften wie traumhafte Dämonen vor meinem inneren Auge auf und ab. Erfüllt von Trauer um den Bruder, der nicht mehr war, stand ich mit weit aufgesperrten Augen da, den Blick auf die zur Faust geballte monströse Klaue des Ghaias gerichtet, aus welcher der zermalmte Leib Robs quoll. Eines seiner Beine hing hin und her pendelnd zwischen den Krallen hervor. Ansonsten bewegte sich nichts. Die Zeit schien zu Ehren Robert Schilts den Atem anzuhalten.
Und der Ithronn?
Auf eigenartig geschwungener Flugbahn eierte er wie in Zeitlupe auf den Ghaia zu. Viel zu langsam, um das monsterhafte Wesen auch nur im Geringsten verletzen zu können. Robs Opfer war umsonst gewesen.
In einer blutroten Stichflamme barsten die eisernen Wände des Ithronn, als drängte irgendetwas von innen mit aller Macht nach außen. Wie die abgesprengten Samenkapseln einer reifen Schote flogen sie zur Seite und gaben eine von violett pulsierendem Licht umgebene zähflüssige Masse frei, die nach allen Seiten strebte.
Von einer Sekunde auf die andere hatte sich der Ithronn aufgelöst.
Die zwei leeren Hülsen sanken wie schwerelose Federn nach unten. Die violette Masse jedoch vereinigte sich zu einer Art Ring aus flackerndem Licht, der mit jeder Sekunde an Größe zunahm und den Ghaia schließlich komplett umschloss.
Ich stand gaffend da, zerrissen von der über mich kommenden Trauer um meinen toten Bruder und einem achtungsgebietenden Schauspiel, welches sich mir kein zweites Mal mehr bieten würde.
Der violette Ring legte sich wie eine zweite Haut um den Ghaia, es zwang ihn buchstäblich in ein Korsett aus vibrierendem Licht. Schwer zu beschreiben, was nun geschah.
Ähnlich einem Schraubstock zog sich der Ring immer weiter zu. Der riesenhafte Körper begann sich unter diesem Druck zu verformen, schien immer weiter zusammengepresst zu werden. Unterdessen bewegte sich der Ghaia keinen Zentimeter. Ich kann es nicht beschwören, aber er wirkte beinahe so, als nähme er sein Schicksal ergeben an. Kein Widerstand, kein Aufbäumen. Nichts.
Ein letztes Mal bemerkte ich Robs Bein aus der zur
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